“Endlich geschafft!“: Dem 28-Jährigen gelingt in Schladming, was sein Vater Christian nie geschafft hatte: Er holt Silber im Slalom.

Schladming. Da stand Felix Neureuther nun im Zielraum, machtlos, aber glücklich, und konnte nichts mehr tun. Das Tosen von den Tribünen und Hunderte rot-weiß-rote Fahnen in seinem Rücken, blickte er hinauf zum Hang, wo Marcel Hirscher als letzter Slalomläufer von Stange zu Stange flitzte. Mit jeder neuen Einblendung von Hirschers Zwischenzeit steigerte sich das Gebrüll der österreichischen Fans, bis es im Fortissimo gipfelte: "-0,42" wies die Anzeigetafel am Ende aus, damit stand fest: Hirscher Gold, Neureuther Silber. Beide waren von ihrem Erfolg überwältigt.

"Endlich geschafft!", japste Neureuther nach dem dramatischen Finale der Schladminger Skiweltmeisterschaften, das ihm im Alter von 28 Jahren seine erste Einzelmedaille bei einem Großereignis bescherte. Nie wieder hatte der kernige Bayer den Fehler der Vergangenheit wiederholen wollen, in Anbetracht anscheinend blendender Aussichten zu verkrampfen - und am Ende zu scheitern. Er wusste: "Mit jeder vergebenen Chance wächst der Druck immer mehr." Stattdessen habe er versucht, locker zu bleiben und "das runterzubringen, was ich drauf habe". Es ist ihm gelungen.

"Ich weiß, dass viele vor der WM gezweifelt haben, ob der Neureuther es schafft. Deswegen ist diese Medaille eine Riesengenugtuung für mich", sagte er, und dass sich gewissermaßen ein Kreis geschlossen hat: "Ich habe schon die größten Klassiker im Weltcup gewonnen - jetzt habe ich die Einzelmedaille bei einem Großereignis, die ich immer wollte. Meinem Papa zum Beispiel ist das verwehrt geblieben. Für die Familie Neureuther konnte ich also etwas komplettieren."

Fast noch seliger wirkte der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier, 52, der den Filius der Garmisch-Partenkirchener Skilegenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther seit Kindesbeinen kennt. "Der Felix", lobte Maier, "hat hier sein Meisterstück abgeliefert."

Zumal er als Zweitschnellster des ersten und somit zweitletzter Starter des zweiten Durchgangs unmittelbar hinter dem späteren Bronze-Gewinner Mario Matt, 33, antrat. Der erfahrene Österreicher hatte eine Bestzeit vorgelegt, wie Neureuther unschwer anhand des Fanjubels im Stadion registrierte: "Da ist ein Begeisterungsschwall den Berg hochgekommen! Der hätte mich fast rückwärts wieder aus dem Starthäusl rausgehauen. Ich wusste dann: Wenn's während meiner Fahrt leise ist, bin ich schnell unterwegs - und die waren leise. "Das", feixte Neureuther, "war die schönste Stille, die ich bisher in meiner Karriere erlebt habe."

Während Hirscher, 23, wie ein Atlas des Skisports die Erwartungen von Millionen euphorischer Landsleute zu schultern hatte ("Du schaffst das nur, wenn du dir denkst: Das ist bloß ein Spiel, es gibt Wichtigeres"), zerbrach sein Freund Felix dieses Mal nicht an den eigenen Sehnsüchten. Er sagte: "Ich bin ein Kämpfer, ich habe so lange in meiner Karriere gekämpft."

Seine Silbermedaille hinter Hirscher ("Er ist jetzt einer der ganz Großen in unserem Sport") ist nicht nur die erste WM-Einzelmedaille für einen deutschen Mann, seit Florian Eckert 2001 Bronze in der Abfahrt holte. Sie bescherte dem Deutschen Skiverband (DSV) auch die beste WM-Bilanz seit 1989. "Der 'Wolfi' (Alpinchef Maier, die Red.) hat sich je eine Medaille von einer Frau, einem Mann und im Teamevent gewünscht. Das ist sogar übertroffen worden", sagte Neureuther. "Für uns als Mannschaft war es eine extrem gelungene WM" - Enttäuschungen wie die Leistungen von Technikerin Lena Dürr, 21, oder Abfahrer Stephan Keppler, 30, hin oder her.

Durch die Erfolge der deutschen Männer nicht nur bei dieser enorm stimmungsvollen WM - Fritz Dopfer wurde im Slalom sehr guter Siebter -, sondern gerade im Weltcup, ist der DSV in der Außenwahrnehmung nicht mehr so extrem von Maria Höfl-Riesch, 28, abhängig, wie es zunächst schien. Drei Medaillen gewann die Olympiasiegerin in Schladming - eine goldene und eine bronzene solo, eine bronzene mit dem Team. Eine mögliche vierte gab sie am Sonnabend mit einem Patzer an der achtletzten Slalomstange aus der Hand.

Während Höfl-Riesch schon tags zuvor nach Hause gefahren war, wagte Felix Neureuther einen kleinen Ausblick. Dass die Saison noch weitergehe, sei ja auch irgendwie schön: "Nächstes Wochenende ist Heimweltcup in Garmisch. Ich hoffe, dass ich bis dahin wieder zu Hause bin ..."

Der Sonnabend war der große Tag der 17 Jahre alten US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin. Die Slalomsiegerin wurde zur jüngsten Weltmeisterin seit 28 Jahren - damals hatte Diann Roffe, ebenfalls aus den USA, Gold im Riesenslalom gewonnen. "Ich glaube nicht, dass ich die Gefühle beschreiben kann, die ich jetzt habe", sagte Shiffrin. "Ich bin ja erst 17 ..."

Als die Schwedin Frida Hansdotter als Beste des ersten Laufs nur mit der drittbesten Zeit das Ziel erreichte, gab es im amerikanischen Block auf der Tribüne kein Halten mehr. Shiffrins Eltern vergossen viele Freudentränen. "Ich habe keine Ahnung, was die Goldene für die Zukunft bedeutet", sagte ihre erfolgreiche Tochter, die nun bei der nächsten WM 2015 in Vail im Bundesstaat Colorado als Titelverteidigerin an den Start gehen kann. Das Team der USA wurde so, vor allem dank der drei Goldmedaillen für Ted Ligety, zur erfolgreichsten Nation dieser Titelkämpfe.