Deutsche Handballer besiegen bei der WM in Spanien Titelverteidiger Frankreich 32:30. Sonntag im Achtelfinale nun gegen Mazedonien

Barcelona. Ein Rausch war es teilweise. Ein Handballspiel auf höchstem Niveau allemal. Und als Patrick Groetzki, der Rechtsaußen aus Mannheim, den letzten Ball entschlossen in die Maschen drosch, war die Überraschung perfekt: Mit 32:30 (16:16) Toren siegten die deutschen Handballer gegen Frankreich, den Titelverteidiger, Olympiasieger und Topfavoriten dieser 23. WM. Es war gleichzeitig eine Art Wiederauferstehung für die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB), die in den vergangenen Monaten herbe Kritik hatte einstecken müssen. "Wir hatten keinen Druck", sagte Bundestrainer Martin Heuberger hinterher, sichtlich geschafft nach der dramatischen Schlussphase im Palau Sant Jordi in Barcelona. "Aber es war für uns sehr wichtig, dass wir immer an einen Sieg geglaubt haben. Ich bin sehr stolz. Meine Spieler haben heute sehr stark gespielt." Der Meinung schloss sich ARD-Experte Stefan Kretzschmar an: "Das war das mit Abstand beste Spiel unserer Jungs. Sie haben gezeigt, was in ihnen steckt. Und das ist offenbar eine ganze Menge. In dieser Form können wir noch einiges erreichen. Selbst im Viertelfinale muss nicht Schluss sein."

Mit 8:2 Punkten sicherte sich das Team den Sieg in der Vorrundengruppe A und bekommt es nun am Sonntag (15.45 Uhr, live im ZDF) in Barcelona im Achtelfinale mit dem EM-Fünften Mazedonien und Superstar Kiril Lazarov, 32, zu tun. "Wenn wir jetzt dieses Spiel nicht gewinnen, war dieser tolle Sieg sinnlos", schaute Steffen Fäth (Wetzlar) schon auf die K.-o.-Runde.

Frankreich gegen Deutschland, das war bei der WM 2007 ein Thriller, als die DHB-Auswahl im Halbfinale nach zwei Verlängerungen in der Kölnarena mit 32:31 Toren siegte und den Grundstein für ihren dritten WM-Titel legte. Frankreich gegen Deutschland, das war bis zum Freitagabend kein Duell auf Augenhöhe mehr. Gegen den Weltmeister der Jahre 2009 und 2011 kassierten die Deutschen teils böse Pleiten.

Doch der Außenseiter, der zu Beginn des Turniers gehemmt und unsicher gewirkt hatte, zeigte sich wie verwandelt. Das Team explodierte förmlich in der ersten Halbzeit und bot Hochgeschwindigkeitshandball auf höchstem Niveau. Die Taktiken im Rückraum, die zunächst der überragende Michael Haaß (Göppingen) steuerte, funktionierten nahezu perfekt, sodass die deutschen Schützen zu guten Wurfgelegenheiten kamen. Alle Rückraumschützen strahlten stets Torgefahr aus. Selbst das große Handicap, in den ersten 13 Minuten vier Zeitstrafen zu kassieren, davon allein Abwehrchef Oliver Roggisch zwei - der damit schon früh vor einer Roten Karte stand -, ließ die DHB-Auswahl kalt.

Sie traten frech auf, aufmüpfig, überraschten die 6:0-Deckung der Franzosen ein ums andere Mal und trafen auch in Unterzahl. Dem 0:4-Negativlauf, der das Team zum 5:8 (10. Minute) in Rückstand brachte, ließen die deutschen Profis ihrerseits einen 4:0-Lauf zur 11:9-Führung (17.) folgen. Es war nicht nur in dieser Phase ein großartiges Handballspiel, schnell, spektakulär, technisch anspruchsvoll. Und obwohl die Franzosen nun spürbar den Druck erhöhten, blieben die Deutschen dran. Nun trafen sie auch vom Kreis und weiter durch Abschlüsse nach Schnellangriffen; der ehemaligen Welttorhüter Thierry Omeyer (THW Kiel), schaute den Bällen nur verdutzt hinterher. Die rund 800 deutschen Fans im Palau Sant Jordi feierten Roggisch & Co. schon, als sie mit einem hoch verdienten 16:16 in die Kabine gingen.

Nach der Pause überrumpelte die DHB-Auswahl Frankreich: Zwei blitzschnelle Tempogegenstöße, verwandelt durch die Flügel Groetzki (Löwen) und Dominik Klein (Kiel), dazu ein Rückraumgeschoss von Haaß, und Deutschland lag fix 19:16 vorn (33.). Eine umstrittene Zeitstrafe gegen Fäth brachte die Franzosen wieder heran. Aber dann steigerte sich der Weltmeister in einen wahren Rausch, nach einem furiosen 5:0-Lauf, den Groetzki von Rechtsaußen abschloss, führten die furchtlosen Deutschen mit 27:22 (47.). Nach einer Auszeit stellten die Franzosen ihr 6:0-Abwehrsystem auf 5:1 um, mit Daniel Narcisse (Kiel) als Speerspitze, und tatsächlich stürzte das die Deutschen in Probleme. Beim 28:27 (53.) war der Favorit wieder dran. Doch die Deutschen konterten. Als Fäth einen Schlagwurf zum 31:28 (57.) eindrosch, waren sie auf die Siegerstraße eingebogen. Den Rest besorgten Keeper Silvio Heinevetter (Berlin), auch mit einem gehaltenen Strafwurf, und im Finale Groetzki.

"Deutschland hat großartig gespielt", lobte später der ehemalige Welthandballer Nikola Karabatic den Auftritt des Gegners, und Torhüter Omeyer merkte an: "In dieser Verfassung kann die Mannschaft in diesem Turnier noch sehr weit kommen. Vielleicht sehen wir uns im Endspiel wieder." Die Deutschen hätten nichts dagegen. "Jetzt ist alles möglich", meinte der stake Kieler Linksaußen Dominik Klein.