Der gestürzte Radstar Lance Armstrong gibt bei US-Talkerin Oprah Winfrey die Einnahme verbotener Substanzen erstmals öffentlich zu

Austin. Irgendwann gelangte das Gespräch an einen Punkt, an dem Lance Armstrongs Bedauern offensichtlich wurde. Nicht darüber, dass er seit Mitte der 90er-Jahre gedopt und seine inzwischen aberkannten sieben Tour-de-France-Siege in Folge durch den massiven Einsatz von Dopingmitteln errungen hat. Sondern vielmehr darüber, dass seine Lebensgeschichte nun öffentlich krachend zerborsten ist.

"Diese Story war perfekt, über so lange Zeit. Es war eine mythische, perfekte Story", sinnierte Armstrong. Fast könnte man nach seinem Auftritt in Oprah Winfreys Talkshow meinen, er hätte das Sport-Märchen vom Krebsüberlebenden, Seriensieger und Gutmenschen selber geglaubt.

Mit seinem Geständnis hat Armstrong, 41, mehr als zehn Jahre Lügen und Verleumdungsklagen gegen Vertraute, die ihn wahrheitsgemäß des Dopings bezichtigten, als Farce entlarvt.

Er habe mit demselben "rücksichtslosen Siegeswillen", der in seinem Kampf gegen Krebs gut gewesen war, brutal seine Karriere verfolgt und sich weder im Unrecht gefühlt noch Entdeckung gefürchtet. Und er behauptete, seine Comeback-Fahrten bei der Tour de France 2009 (3. Platz) und 2010 (23.) ohne Doping bewältigt zu haben. Nach 2005 sei Schluss gewesen.

Über anderthalb Stunden stellte sich Lance Armstrong den Fragen. Im zweiten Teil des Interviews (nach Redaktionsschluss gesendet) sollte es um Schadenersatz, Sponsoren und seine Krebsstiftung "Livestrong" gehen. Tränen flossen keine, wie sonst bei "Oprah" nahezu garantiert. Armstrong vermied es, Namen zu nennen. Es sei wahr, gab er Winfrey recht, dass er Mitglieder seines Teams schikaniert habe. Er bestritt aber, andere Fahrer bedroht zu haben.

Er habe immer alles kontrolliert, auch die Toursiege: "Sie fielen leicht, ich wusste, ich würde gewinnen." Ob sieben Tour-Erfolge ohne Doping möglich gewesen wären, fragte Winfrey. Armstrong antwortete: "Meiner Meinung nach nicht." Sein Trainings-"Cocktail" habe aus Epo, Eigenblut-Transfusionen, Kortison und Hormonspritzen bestanden. Es sei so ähnlich gewesen "wie Reifen aufpumpen". "Während des Rennens waren wir clean."

Er habe Doping "konservativ und ohne Risiko" betrieben, vom "ausgeklügeltsten Dopingsystem aller Zeiten", wie die Usada es sieht, könne keine Rede sein. "Es ist beunruhigend, dass ich kein Unrecht empfand. Es ist noch beunruhigender, dass ich diesen Mangel nicht bedauerte. Und vielleicht am beunruhigendsten war, dass ich nie glaubte, ich würde betrügen."

Sprache und Körpersprache deuteten darauf hin, dass Lance Armstrong einen genau entwickelten Plan für einen Wiederaufstieg aus dem Paria-Dasein zum geläuterten Helden verfolgt. So bezichtigte er sein früheres Ego der Arroganz, Blindheit und Rücksichtslosigkeit. Er könne jeden verstehen, der ihm nie wieder ein Wort glauben wolle.

Armstrong hatte gehofft, aus dem Gröbsten heraus zu sein, als das US-Justizministerium im Sommer seine Ermittlungen wegen Verdachts auf Betrug, Drogenhandel, Zeugeneinschüchterung ohne Angaben von Gründen eingestellt hatte. Doch als die US-Antidopingbehörde ihn im Herbst 2012 in einer Anklageschrift mit den Aussagen von 46 Zeugen, darunter elf frühere Teamkollegen, konfrontierte, habe er verstanden, dass das Spiel vorbei war. "Ich habe meine Macht missbraucht und den Sport, den ich liebe, und seine Regeln missachtet." Er verdiene es, als Betrüger und Lügner gebrandmarkt zu werden. Ob er das Netzwerk der Mitwisser und Finanziers preisgeben werde und ob er mit der Usada kooperieren werde, ließ Armstrong offen.

Travis Tygart, Chef der US-Antidopingagentur Usada, nannte Armstrongs Aussagen "einen kleinen Schritt in die richtige Richtung". Er habe endlich zugegeben, dass seine Karriere aus einer "kraftvollen Kombination aus Doping und Betrug" bestand. Für John Fahey, Präsident der Welt-Antidopingagentur Wada, war das Interview "eine PR-Show". Armstrong habe die Verfehlungen "sehr kontrolliert" eingestanden.

Hein Verbruggen hingegen, ehemaliger Chef des Weltverbandes UCI und Armstrongs Kungelkumpel, durfte ein Dementi erfreut zur Kenntnis nehmen. Armstrong behauptet, die UCI habe nie einen positiven Test gegen eine Spende von 100.000 Dollar vertuscht.

Zornig dagegen äußerte sich Betsy Andreu, die Frau des ehemaligen Amstrong-Kollegen Frankie Andreu, die früh gegen den Texaner ausgesagt hatte. "Dieser Kerl war einmal mein Freund. Er hätte die Hosen herunterlassen können, er schuldete es mir", klagte sie im Nachrichtensender CNN. "Er schuldet es dem Sport, den er zerstört hat."