Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Es ist an der Zeit, Entschuldigung zu sagen. Lance Armstrong hat es vorgemacht, doch wir bereuen wirklich. Wen haben wir in den vergangenen Jahrzehnten nicht alles als Versager beschimpft oder ihn oder sie bezichtigt, das Talent verschleudert zu haben. Nur weil diejenigen Siege oder Medaillen verpasst haben, die wir, anmaßend, wie wir sind, von ihnen erwarteten. Das war ungerecht, weil viele von ihnen alles gaben, aber nicht alles nahmen. Auch Jan Ullrich müssten wir eigentlich um Verzeihung bitten, zumindest ein bisschen. Im Gegensatz zu Armstrong waren das eher homöopathische Dosen, die er sich einst einverleibte. Einer wie Ullrich war ohnehin mehr Opfer als Täter des weltweiten Dopingsystems. Wenigstens das könnte er uns mal sagen und nicht nur, dass er keinen betrogen hat. Das wissen wir doch längst.

Mit Armstrongs Beichte ist natürlich nicht alles wieder gut. Experten vermuten, dass bei den vergangenen Olympischen Spielen in Vancouver 2010 (Winter) und in London 2012 (Sommer) immer noch rund 70 Prozent der Medaillengewinner in den Kraft- und Ausdauersportarten drogenabhängig waren. Selbst das wäre wohl ein Fortschritt. 20 Jahre vorher galten 90 bis 95 Prozent als gedopt.

Was lehrt uns das? Wir sollten uns beim Jubeln und Verdammen ein wenig zügeln. Und den Hochleistungssport nehmen als das, was er geworden ist: ein kommerzieller Unterhaltungsbetrieb. Opium fürs Volk eben.