DHB-Team verliert bei der Handball-WM in Spanien gegen Tunesien 23:25 und droht das Achtelfinale zu verpassen. Dienstag gegen Argentinien.

Granollers. Kopfschütteln. Bei Martin Heuberger, dem Bundestrainer. Bei den meisten Profis in der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) nach der 23:25-(13:13)-Niederlage gegen Tunesien im zweiten Vorrundenspiel bei der 23. WM in Spanien. "Wir müssen einfach mehr bieten", sagte Kapitän Oliver Roggisch (Rhein Neckar-Löwen) selbstkritisch, während die tunesischen Fans unter den 4.500 Zuschauern im Palacio de Deportes in Granollers noch feierten. "Die Tunesier waren sehr abgezockt", sagte Heuberger. Das war es, auf den Punkt gebracht: Die Profis aus dem Mutterland des Handballs, teils hoch bezahlt, wurden in die Tasche gesteckt von zwei blutjungen Rückraum-Schützen, Wael Jallouz, 21, und Amine Bannour, 22.

Damit verschlechtert sich die Ausgangslage in der Vorrundengruppe A für die DHB-Auswahl dramatisch. Mit nun 2:2 Punkten steht das stark verjüngte Team von Heuberger enorm unter Druck. Nächster Gegner ist am Dienstag Panamerikameister Argentinien (18.15 Uhr, live in der ARD), das nach der Niederlage gegen Brasilien ebenfalls 2:2 Punkte aufweist. "Wir wollen alle drei restlichen Spiele gewinnen, auch wenn wir wissen, dass das eine sehr schwere Angelegenheit wird", sagte Rechtsaußen Patrick Groetzki (Löwen).

Dabei waren die Deutschen ja gewarnt durch den Vortag, als der WM-Vierte von 2005 den zweimaligen Olympiasieger Frankreich an den Rande einer Niederlage gedrängt und nur mit 27:30 Toren verloren hatte. Da schwante Heuberger schon Böses angesichts der individuellen Stärke etwa von Wael Jallouz. "Der ist eine Rückraum-Bombe", sagte der 48-Jährige über den 21 Jahre alten Halblinken aus Hammamet, der im Sommer zu Rekordmeister THW Kiel wechselt. "Aber auch er muss sich noch entwickeln."

Gegen die Deutschen reichten die Fähigkeiten des 1,97 Meter großen Supertalents. Mit seinen wuchtigen wie präzisen Sprungwürfen teils aus zehn Metern stürzte Jallouz die deutsche 6:0-Deckung in arge Nöte. Als er Tunesien mit 5:4 in Führung brachte (10. Minute), verbuchte er schon seinen dritten Treffer. Danach nahm er sich eine Pause. Nun aber war der Magdeburger Stefan Kneer gegen den anderen Shooter im Rückraum, Linkshänder Amine Bannour, schlicht überfordert. "Wir haben in der ersten Halbzeit zu viele Tore aus der Fernwurfzone bekommen", sagte Heuberger. Auch Torwart Silvio Heinevetter (Füchse Berlin) war an diesem Abend nicht in der Form, die jungen Scharfschützen zu stoppen.

Ein gravierenderes Problem entwickelte sich, als die Tunesier ihre 6:0-Deckung auf ein offensiveres 5:1-System umstellten. Danach kam der deutsche Aufbau, der gut begonnen hatte, insbesondere der Gummersbacher Linkshänder Adrian Pfahl, nicht mehr zu klaren Chancen. Hinzu kamen zwei verworfene Strafwürfe von Kevin Schmidt (HSG Wetzlar) und Steffen Weinhold (SG Flensburg-Handewitt). Als Tunesien in der 19. Minute einen Tempogegenstoß zum 6:10 verwandelte, sah es düster aus. Mit der fälligen Auszeit, die Heuberger nun nahm, kam der Rückraum wieder in die Spur. Nun übernahmen Sven-Sören Christophersen (Füchse Berlin) und Weinhold Verantwortung und verkürzten mit selbstbewussten Aktionen, teils in Duellen Mann gegen Mann. Nach einem 6:1-Lauf in acht Minuten führte Deutschland wieder mit 12:11, die Partie war wieder offen.

Die zweite Hälfte begann gruselig. Zwei technische Fehler und ein Fehlwurf von Christophersen, und Deutschland lag 13:15 zurück. Es wurde hektisch. Acht Minuten dauerte es, bis die Deutschen wieder aus dem Feld trafen, während Jallouz traf und traf und traf. "Im Angriff haben wir einfach zu wenig Zweikämpfe gewinnen können, die Tunesier haben sehr gut gespielt in der Abwehr", analysierte Heuberger. "Wir hatten einfach zu wenig Abstand zur Deckung", klagte Weinhold. Beim Stand von 17:20 (45.) nahm Heuberger die zweite Auszeit, auch wechselte er nun im Tor. Carsten Lichtlein (TBV Lemgo) kam für Heinevetter (50.) und hielt gleich drei Bälle. Und als Steffen Fäth (Wetzlar) mit einem Gewaltwurf zum 21:21 (54.) ausglich, schien die Wende möglich. Aber danach kollabierte das Angriffsspiel vollends. Alles war zu spät, als Jallouz in der 59. Minute mit seinem achten Tor aus zehn Metern zum 24:22 einnetzte. Ein Greenhorn aus dem Maghreb bringt den deutschen Handball in eine prekäre Lage.