Wut, Verbitterung, Unverständnis: Der Klub sieht seine Bemühungen um eine verbesserte Fankultur nicht gewürdigt. Ulf Kirsten ist sauer.

Frankfurt/Main. Ulf Kirsten ließ beim Winterspaziergang durch den verschneiten Wald mächtig Dampf ab. Auch am Tag nach dem Pokalausschluss des Fußball-Zweitligisten Dynamo Dresden zeigte sich das Klub-Idol tief bestürzt - Ulf Kirsten erhebt schwere Vorwürfe gegen die Sportgerichtsbarkeit. „Es wird immer noch mit zweierlei Maß gemessen. Bei jedem Verein gibt es doch solche Fans, nicht nur in einem Klub. Das ist doch in der Bundesliga flächendeckend so“, sagte der frühere Nationalspieler dem SID.

Keine Frage, dass der frühere Dresdner und Leverkusener Torjäger das Urteil des DFB-Sportgerichts vom Montagabend für überzogen hält. „Das ist ganz bitter für den Verein, die Spieler und die vielen friedlichen Fans“, sagte der 47-Jährige, dessen Sohn Benjamin bei den abstiegsgefährdeten Sachsen im Tor steht. Dynamo-Legende Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner sprach von einem „sehr harten Urteil“, mit dem aber wegen der Vorgeschichte zu rechnen gewesen sei.

Befürchtet hatte auch DFB-Vizepräsident Rainer Milkoreit, Präsident des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV), den zweiten Pokalausschluss binnen 13 Monaten. Damals war Dynamo erfolgreich in Berufung gegangen. Im Gegensatz zu seiner Kritik im November 2011, als er die damalige Entscheidung des Verbandes als „überhart“ bezeichnet hatte, konnte Milkoreit den vorzeitigen Cup-K.o. für Dynamo diesmal eher nachvollziehen.

Milkoreit sieht das jüngste Urteil als besten Beweis dafür, dass die Entwicklung hingehen muss zur Sanktionierung von einzelnen kriminellen Gruppen oder Tätern. „Eben weg von den Kollektivstrafen. Denn für den Verein ist das Urteil auch ökonomisch starker Tobak“, sagte Milkoreit dem SID einen Tag vor der Abstimmung über das umstrittene Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL).

Grenzenlose Zustimmung erhielt das Sportgericht von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Sie erwartet sich von dem Urteil eine Signalwirkung und den Anstoß zu einem Selbstreinigungsprozess. „Jetzt kommt die Zeit der großen Gruppe wahrer Fußballfreunde, die die kleine Schar der Fußballzerstörer in die Schranken weisen kann. Den Anfang haben Tausende Schalker Fans vor kurzem gemacht, als sie unverbesserlichen Pyro-Ultras die Teilnahme an der Schalker Gemeinschaft lautstark und eindeutig abgesprochen haben“, erklärte der GdP-Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut.

Dresdens Geschäftsführer Christian Müller hatte bereits wenige Minuten nach Verkündung des Sportgerichts-Urteils durch den Vorsitzenden Hans E. Lorenz sein Unverständnis gezeigt. „Perspektivisch verschärft diese Rechtsprechung das gesellschaftliche Problem, vor dem der deutsche Fußball steht, statt es zu lösen“, sagte Müller.

Er spielte damit auch auf die Begründung von Lorenz an, der in seinen Ausführungen den Zweitligisten quasi von Schuld freigesprochen hatte. Der Klub tue in der Fanarbeit, was er könne. Es gebe auch eindeutige Verbesserungstendenzen. „Wir erkennen an, sie sind da auf einem guten Weg“, sagte Lorenz: „Aber der Verein hat für seine Fans einzustehen.“ Für Müller ist die verschuldensunabhängige Haftung „ein Teufelskreis, der die Existenz unseres Vereins bedroht und uns die Fan- und Sicherheitsarbeit wirtschaftlich und inhaltlich immer schwerer macht“.

Dabei bemühen sich die Dresdner. Der als Zeuge geladene hauptamtlich tätige Dynamo-Fanbeauftragte Marek Lange hatte berichtet, dass der derzeitige Tabellen-16. im Fanbereich noch einen Sozialpädagogen (Stelle bereits ausgeschrieben) und eine weitere administrative Kraft einstellen möchte. „Das Sportgericht hat uns bescheinigt, dass Dynamo Dresden nichts falsch gemacht hat. Es bestraft uns trotzdem, und zwar noch härter als beim letzten Mal, obwohl wir da auch schon nichts falsch gemacht haben“, echauffierte sich Dynamo-Geschäftsführer Müller, der noch nicht abschließend sagen konnte, ob die Sachsen Berufung einlegen werden: „Aber es gibt gute Argumente dafür.“

Im vergangenen Jahr hatte der achtmalige DDR-Meister nach Ausschreitungen seiner Fans beim Pokalspiel bei Borussia Dortmund (0:2) einen Cup-Ausschluss in der Berufung vor dem DFB-Bundesgericht abwenden können.