Alsters Hockeytorhüter Tim Jessulat hat im Kampf um die deutsche Nummer eins schlechte Karten

Hamburg. Hockeyspieler sind Amateure, die meisten von ihnen studieren, und die, die arbeiten, sind auf die Unterstützung ihrer Arbeitgeber angewiesen. Besonders dann, wenn sie für die Nationalmannschaft spielen und sich vor großen Turnieren Lehrgangstage in dreistelliger Höhe anhäufen. Tim Jessulat, Torhüter beim Club an der Alster, hat mit der Berenberg-Bank ein Unternehmen im Rücken, das seine Ambitionen voll mitträgt. 120 Arbeitstage hat die älteste deutsche Privatbank den IT-Spezialisten innerhalb der vergangenen zwei Jahre freigestellt.

Die Champions Trophy in Melbourne, für die Bundestrainer Markus Weise den 33-Jährigen fest eingeplant hatte, muss jedoch ohne Jessulat stattfinden. Weil just in der Spielwoche vom 1. bis 9. Dezember in London die wichtigste Konferenz des Jahres für die Berenberg-Bank ansteht, ist Jessulat unabkömmlich und musste Weise absagen. Der nominierte Felix Reuß von Uhlenhorst Mülheim nach.

Der Fakt, dass ein erfahrener Leistungsträger das nach den Olympischen Spielen zweitwichtigste internationale Turnier des Jahres aus beruflichen Gründen absagen muss, hat in der Hockeyszene für Verdruss gesorgt. Spielmacher Moritz Fürste, Urgestein des Uhlenhorster HC und in dieser Saison für den Club de Campo Madrid im Einsatz, sagt: "Es wäre für einen Amateursport wie Hockey fatal, wenn so etwas öfter vorkommen würde."

Besonders sauer stößt Fürste auf, dass sich viele Unternehmen nach dem Gold-Triumph von London im Erfolg mitsonnten, aber nur wenige bereit seien, Sportler nachhaltig zu unterstützen. "Man muss sich immer wieder bewusst machen, wie wichtig die Kooperation zwischen Wirtschaft und Sport ist. Wir erwarten ja nicht unbedingt finanzielle Unterstützung, es geht auch um den ideellen Wert." Die Berenberg-Bank sei grundsätzlich ein Positivbeispiel. "Aber es geht mir darum, ein Zeichen zu setzen", sagt Fürste.

Für Jessulat ist die Absage besonders bitter, weil er nach dem Rücktritt des Kölner Stammkeepers Max Weinhold den Kampf um den Kasten gegen seinen UHC-Rivalen Nico Jacobi, 25, in Australien noch einmal hätte aufnehmen können. Vor Olympia hatte Jacobi Jessulat den Posten als Ersatztorwart weggeschnappt. Dass in seinem Alter die Chancen auf ein Comeback knapp sind, weiß Jessulat. "Ich habe alles getan, um freizubekommen, aber ich respektiere die Entscheidung meines Arbeitgebers und stehe voll hinter ihr, da nicht nur das Team im Bereich Sport mich braucht, sondern auch im beruflichen Umfeld", sagt er.

Norbert Klafack-Beuck, Jessulats Teamleiter, kann den Ärger nachvollziehen, sagt aber: "Wir brauchen Tim für die Konferenz. Es ist doch auch eine Bestätigung für seine Leistung bei uns, dass wir ihn nicht freigeben können", sagt er. Die Entscheidung sei eine Ausnahme, künftig werde der IT-Spezialist für Lehrgänge und Turniere wieder freigestellt. "Wir stehen voll hinter Tims sportlichen Ambitionen."

Tim Jessulat hat sich mit der Situation abgefunden. So könne er sich voll auf die Hallensaison konzentrieren, die an diesem Wochenende beginnt und für Alster am Sonntag (12 Uhr, Hallerstraße) das Prestigeduell mit dem Harvestehuder THC bereithält. Er wird weiter alles geben, beruflich und im Sport - wann immer man ihn braucht.