Sebastian Vettel kann am Sonntag in seinem 100. Formel-1-Rennen zum dritten Mal Weltmeister werden

Austin/Hamburg. Der 17. Juni 2007 war ein heißer Tag in Indianapolis. 34 Grad maß das Thermometer, als sich der damals 19-jährige Sebastian Vettel auf dem berühmten Motorspeedway im Mittleren Westen der USA zum ersten Mal für ein Formel-1-Rennen im Cockpit eines BMW-Sauber-Boliden festzurrte. Gerade etwas mehr als fünf Jahre sind vergangen, da schließt sich an diesem Wochenende in Texas der Kreis. Ebenfalls in den USA, 1500 Kilometer von Indianapolis entfernt, wird der Rennfahrer aus Heppenheim an diesem Wochenende seinen 100. Grand Prix bestreiten. Aus dem schüchternen Formel-1-Novizen von 2007 ist ein Doppelweltmeister geworden, der am Sonntag auf dem neu gebauten Circuit of the Americas seinen dritten Titel einfahren kann.

Der kleine Vettel war damals in Indianapolis kurzfristig als Ersatzmann für den zuvor in Kanada schwer verunglückten Polen Robert Kubica eingesprungen. "Ich habe jede Runde genossen", sagte er nach der Premiere, ihm sei etwas gelungen, wovon er als Kind immer geträumt habe. Ansonsten werde sich die Welt nicht groß verändern: "Irgendwann wird es dunkel. Dann gehe ich ins Bett. Und morgen wache ich wieder auf." Gelassen dahingesprochene Sätze, die auch der 25-jährige Vettel heute so ähnlich sagen könnte.

"Es ging einfach so schnell. Das zeigt einfach, wie die Zeit verfliegt", sagte Vettel, der in Austin als jüngstes Mitglied dem "Klub der Hunderter" beitritt, als siebter Deutscher unter insgesamt 64 Rennfahrern. "Besonders, wenn man etwas macht, das man wirklich mag und genießt." 100 Rennen, das mag angesichts der inflationären Entwicklung in Bernie Ecclestones Terminkalender nicht mehr eine so überragende Leistung sein wie vor einigen Jahrzehnten, als die Mitglieder dieses exklusiven Zirkels einfach nur froh waren, dass sie überlebt haben.

Anders sieht die Sache aus, wenn man sich die Erfolge betrachtet, die Vettel in fünf Jahren zusammengefahren hat, fast immer als jüngster Pilot aller Zeiten. "Ich glaube nicht, dass irgendjemand anderes in so kurzer Zeit so viel erreicht hat", sagte Helmut Marko der Nachrichtenagentur dpa. Der Österreicher ist Motorsportberater bei Vettels Arbeitgeber Red Bull und so etwas wie ein väterlicher Freund des deutschen Naturtalents. Da ist es keine Überraschung, dass Vettel schon bei seiner Premiere 2007 in Indianapolis als jüngster Fahrer der Formel-1-Geschichte mit einem WM-Punkt dekoriert wurde.

Was danach passierte, füllt Formel-1-Geschichtsbücher. 2008 der erste Sieg im Hinterbänkler-Team Toro Rosso, 2009 vier Siege für Red Bull und die Vizeweltmeisterschaft, 2010 und 2011 die WM-Titel. In Austin könnte er vorzeitig den dritten WM-Lorbeer gewinnen, wenn es ihm gelingt, 15 Punkte mehr einzufahren als sein letzter verbliebener Rivale Fernando Alonso im Ferrari. Die Chancen stehen gut. "Je mehr Druck er hat, umso besser wird Sebastian", sagt Helmut Marko. Damit meint er unter anderem die unaufhaltsame Aufholjagd, mit der Vettel nach seinem Heimrennen auf dem Hockenheimring am 22. Juli, als Alonso zum letzten Mal gewann, 44 Punkte Rückstand auf den Spanier aufholte. Fehler macht er nicht mehr, längst hat er eingesehen, dass man ein Rennen nicht schon in der ersten Kurve gewinnen kann.

Sein fahrerisches Meisterstück lieferte Vettel vor zwei Wochen in Abu Dhabi, als er aus der Boxengasse starten musste, sich durch das ganze Feld pflügte und am Ende sogar als Dritter auf dem Podium stand. Typisch Vettel, dass er anschließend sagte, es wäre sogar noch mehr möglich gewesen. Oder, auf die Frage nach dem besten Rennen seiner Karriere: "Ich hoffe, das kommt noch."

Ein Vergleich drängt sich auf: Auch der erste deutsche Formel-1-Weltmeister erreichte sehr jung sehr viel. Die Zahlen (siehe Tabelle) von Michael Schumacher und Sebastian Vettel halten sich in etwa die Waage. Nur bei der Zahl der Titel könnte der Jüngere jetzt einen Vorteil haben. Der künftige Formel-1-Rentner Schumacher musste noch drei weitere Jahre warten, ehe er zum dritten Mal Weltmeister wurde. Vettel kann das schon an diesem Wochenende schaffen, bei seinem Jubiläums-Grand-Prix.