Der deutsche WM-Favorit dominiert auch das Formel-1-Training zum Großen Preis von Abu Dhabi. Titel-Rivale Alonso tritt auf der Stelle.

Abu Dhabi. Ferrari legte eine Nachtschicht ein. Vor dem ersten freien Training zum Großen Preis von Abu Dhabi am Sonntag (14 Uhr/RTL und Sky) schraubten die Mechaniker in der Boxanlage des Yas-Marina-Circuits am Rennwagen von Fernando Alonso herum, als hofften sie, an den entscheidenden Schrauben drehen zu können, um so das Titelrennen gegen Sebastian Vettel noch einmal zu wenden. Ein paar technische Änderungen und Neuentwicklungen sollten das Auto noch schneller machen. Nur viermal in der Saison erlauben die Regeln derartige Überstunden.

Allein, es half nichts. Beinahe resigniert blickte die Ferrari-Mannschaft am Freitag auf den Zeitenmonitor. Fast eine ganze Sekunde trennte Vettel, der mit seinem Red Bull einmal mehr wie auf Schienen durch die Kurven raste, von seinem letzten verbliebenen Titelkonkurrenten Alonso. Aus eigener Kraft, das steht fest, werden die Italiener mit ihrem spanischen Chefpiloten die ersehnte Meisterschaft nicht mehr gewinnen können.

Nach vier Jahren im Windschatten der Konkurrenz, an deren Ende sie immer als Verlierer dastanden, hatten die Italiener in dieser Saison den Titel fest eingeplant. Präsident Luca di Montezemolo schwor die Scuderia mit markigen Worten auf dieses Ziel ein, auch Fernando Alonso versprach Siege.

Tatsächlich stand der Spanier bis zum 22. Juli beim Großen Preis von Deutschland in Hockenheim dreimal ganz oben auf dem Podest und hatte zu diesem Zeitpunkt 44 Punkte Vorsprung auf Vettel zusammengefahren. Alonsos Höchstleistungen täuschten über die technischen Schwächen des Ferrari hinweg - der WM-Spitzenreiter sammelte geschickt alle Punkte ein, die auf der Straße lagen. Doch seither hat sich das Blatt gewendet. Seit Beginn der Asien-Tournee Ende September in Singapur dominiert Titelverteidiger Vettel die Rennserie ähnlich wie in der vergangenen Saison. Mit vier Siegen in Folge, begünstigt von zwei Ausrutschern Alonsos, knabberte der Red-Bull-Fahrer den Rückstand weg und führt seit dem vergangenen Wochenende in Indien mit 13 Punkten.

Alonso behauptete dennoch, 2010 habe er die WM im letzten Rennen verloren, nun wolle er sie im letzten Rennen gewinnen und sandte via Twitter markige Sprüche im Samurai-Stil in die virtuelle Welt. Doch der Plan, die Konkurrenz zu Fehlern zu verführen, ging nicht auf. Vettel kommentierte seine neuerliche Überlegenheit gelassen: "Einige stehen nicht ganz so weit vorne, wie sie vielleicht wollten." Schlimmer noch für Ferrari: Nicht die roten, sondern die silberfarbenen McLaren-Rennwagen der Briten Lewis Hamilton und Jenson Button machte er als Hauptgegner aus: "Die McLaren sind es, die es zu schlagen gilt."

Seit Sebastian Vettel wieder das Heft in der Hand hat, darf allenthalben gerechnet werden. Ein weiterer Sieg und nur ein vierter Platz für Alonso würde bedeuten, dass der Doppelweltmeister auf dem Weg zum dritten Titel schon beim nächsten Rennen in 14 Tagen in Texas den ersten Matchball hätte. Solche Rechenspiele überlässt er aber gern dem Kommandostand seines Teams. "Fünf Siege in Folge wären sicher schön. Aber fünf oder vier oder 100 ändert nichts. Das nächste Rennen ist immer so hart wie das erste", philosophierte er im besten Herberger-Stil. "Man muss kein Einstein sein, um zu erkennen, dass es gut ist, wenn wir vor Fernando ins Ziel kommen, und schlecht, wenn wir hinter ihm reinkommen." Dabei sei es im kräftezehrenden Saisonfinale mit vier Rennen in fünf Wochen wichtig, mit den Kräften hauszuhalten. "Man startet ins Jahr, hat viel Kraft aus dem Winter und ist hoch motiviert", sagte Vettel. "Wichtig ist, dass man am Ende nicht in ein Loch fällt, sondern immer auf die Details achtet."

Einen so starken Eindruck hinterließ Vettel auch am Freitag. Im ersten Training hatte er noch Rang drei hinter Hamilton und Button belegt, das zweite war jedoch wesentlich aussagekräftiger. Wie das Rennen am Sonntag startete es nämlich in der Dämmerung und endete unter Flutlicht, die erste Einheit hatte am Mittag stattgefunden. Hamilton und Button waren allerdings auch am Abend, bei der Fahrt ins Dunkel, stark und belegten die Plätze zwei und drei vor Vettels Teamkollegen Mark Webber.

Die anderen deutschen Piloten konnten das Tempo der Spitze nicht mitgehen. Nico Rosberg (Mercedes), Nico Hülkenberg (Force India) und Michael Schumacher (Mercedes) belegten die Plätze 12 bis 14. Wobei Mercedes-Sportchef Norbert Haug dem scheidenden Rekordweltmeister Schumacher drei Rennen vor dessen Karriereende noch einmal für seinen Einsatz während seiner zweiten Karriere dankte. "Phänomenal" sei Schumachers Leistung. "Michael war und ist der absolut richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt für unser Team und unsere Marke. Man merkt, es ist für Michael eine Herzensangelegenheit. Er hat sich total in unser Team eingebracht, Michael ist ein hervorragender Fahrer und Botschafter, er kommuniziert bestens mit den Teammitgliedern, und er identifiziert sich mit unseren Zielen und Aufgaben."

Nur Erfolge gab es leider nicht - und wird es auch nicht mehr geben. Denn die Silberpfeile haben die Saison abgehakt und entwickeln schon für die Saison 2013. Ohne Schumacher.

Freies Training (5,554 km): 1. Vettel (Heppenheim) Red-Bull-Renault 1:41,751 Minuten, 2. Hamilton (Großbritannien) McLaren-Mercedes 1:41,919, 3. Button (Großbritannien) McLaren-Mercedes 1:42,412, 4. Webber (Australien) Red-Bull-Renault 1:42,466, 5. Grosjean (Frankreich) Lotus-Renault 1:42,500, 6. Räikkönen (Finnland) Lotus-Renault 1:42,532, 7. Alonso (Spanien) Ferrari 1:42,587, ... 12. Rosberg (Wiesbaden) Mercedes 1:43,200, 13. Hülkenberg (Emmerich) Force-India-Mercedes 1:43,255, 14. Schumacher (Kerpen) Mercedes 1:43,267, 23. Glock (Wersau) Marussia-Cosworth 1:46,589.