Die Zündschnur brannte schon lange, nun hat Patrik Kühnen mit seinem Rücktritt für den Knall im deutschen Herren-Tennis gesorgt.

Berlin/Hamburg. Patrik Kühnen reicht es: Nach zehnjähriger Amtszeit hat der Davis-Cup-Teamchef am Mittwoch hingeworfen. Damit erreicht die seit Monaten schwelende Krise im deutschen Herren-Tennis ihren vorläufigen Höhepunkt. „In den vergangenen Wochen habe ich den Eindruck gewonnen, dass mir die nötige Unterstützung und Rückendeckung des Deutschen Tennis Bundes fehlt. Ich sehe deshalb keine Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit und beende an dieser Stelle die Gespräche über die Fortsetzung meiner Tätigkeit mit dem DTB“, teilte der 46-Jährige in einer schriftlichen Erklärung mit.

Die Anzeichen für Kühnens Abschied hatten sich nach dem Dauerzwist mit Spitzenspieler Philipp Kohlschreiber und dem Streit mit einem Sponsor zuletzt verdichtet. „Sein Schritt kommt nicht überraschend, da sich in vielen Gesprächen mit Patrik Kühnen und den Spielern abgezeichnet hat, dass ein Neuanfang die beste Lösung für das deutsche Herrentennis ist“, sagte DTB-Präsident Karl-Georg Altenburg. Verbands-Vize Carl-Uwe Steeb meinte: „Wir haben bis zum Schluss versucht, zwischen den Parteien zu vermitteln und die Basis für eine Zukunft mit Patrik zu finden, leider ohne Erfolg.“

Im Verband rechnet man damit, noch vor Weihnachten einen Nachfolger präsentieren zu können. Dieser soll sich dann auch um den Nachwuchs kümmern, muss vor allem aber das Team für das Erstrundenspiel vom 1. bis 3. Februar 2013 in Argentinien zusammenstellen – womöglich dann wieder mit Kohlschreiber, den Kühnen zuletzt nicht nominiert hatte. „Ich akzeptiere und verstehe die Entscheidung“, kommentierte Kohlschreiber den Rücktritt.

Der dreimalige Wimbledonsieger Boris Becker bedauerte Kühnens Schritt. „Schade, dass Patrik Kuehnen nicht mehr Davis-Cup Teamchef ist. Patrik hat 10 Jahre tolle Arbeit in sehr schwierigen Umstaenden geleistet!“, schrieb Becker am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter: „Bin sehr gespannt auf Nachfolger ...Viel Spass.“

Als Top-Favorit gilt nach dpa-Informationen nun Ex-Profi Carsten Arriens, auch wenn er nach eigenen Angaben noch nicht gefragt wurde. „Ich warte jetzt mal, ob es einen Anruf gibt. Ich würde mir das in aller Ruhe überlegen.“ Es freue ihn, dass er offensichtlich in Spielerkreisen einen gewissen Respekt und eine gewisse Wertschätzung genieße, sagte der 43-Jährige.

Der ehemalige Davis-Cup-Spieler Alexander Waske scheidet als Nachfolger offenbar aus. Der Doppelspezialist hat seine Karriere beendet und fungiert seit kurzem als Coach des Österreichers Jürgen Melzer. Vor allem jedoch ist Waske in die Arbeit mit seiner Tennis-Akademie in Offenbach eingebunden. „Mich hat kein Mensch angesprochen. Ich habe im Moment zwei Aufgaben“, sagte Waske. Die Akademie betreibt er mit dem ebenfalls nicht mehr als Spieler aktiven Rainer Schüttler. Dem einstigen Australian-Open-Finalisten wurde der Posten nach eigenen Worten ebenfalls bisher nicht angeboten.

„Ich bin weder gefragt noch angesprochen worden, noch habe ich mich gedanklich damit beschäftigt“, sagte Schüttler. Er ist inzwischen in die Organisation des neuen ATP-Turniers in Düsseldorf eingebunden, der Nachfolgeveranstaltung für den World Team Cup.

Die Verlängerung von Kühnens Ende 2012 auslaufenden Vertrags zog sich seit Monaten hin, auch nach dem 3:2 im Relegationsspiel über Australien Mitte September blieb der als überfällig geltende Schritt aus. Der bisherige Hauptsponsor des Davis-Cup-Teams – auch privater Sponsor von Kühnen – will seine Kündigung nicht zurücknehmen und erhob erneut schwere Vorwürfe gegen den DTB um die erst vor einem Jahr gewählte Führung mit Altenburg und Vize Steeb.

„Professionelle Strukturen kann ich beim DTB mit diesem Präsidium nicht erkennen“, sagte der Chef der FWU-Gruppe, Manfred Dirrheimer. Das Maß an Vertrauen sei aufgebraucht. Teil der Firmengruppe ist der Lebensversicherer Atlanticlux, er fungiert als Namenssponsor des Davis-Cup-Teams. Trotzdem sei es beim Spiel gegen Australien nicht zu einem Gespräch mit Altenburg gekommen, „obwohl unsere Boxen direkt nebeneinanderlagen. Herr Altenburg war für uns nicht ansprechbar“, schimpfte Dirrheimer. „Auf den Arm nehmen kann ich mich selber.“

Kühnen hatte gegen Australien nach monatelangem Zwist auf Kohlschreiber verzichtet. Vor dem 1:4 gegen die Argentinier im Februar hatte der Augsburger wegen einer Magen-Darm-Erkrankung abgesagt. Teamkollege Tommy Haas kritisierte Kohlschreibers Fehlen bei der Partie in Bamberg. Der auch als Privattrainer von Haas und als Turnierdirektor in München tätige Kühnen unterstützte Haas öffentlich. Auf Betreiben Kohlschreibers hatten ihn die deutschen Profis daraufhin nicht als Kapitän für den World Team Cup nominiert.