Der Hamburger Klub Sportspaß zählt inzwischen mehr als 70.000 Mitglieder, 79 Prozent von ihnen sind junge Frauen.

Hamburg. Ana Honrado Adán perlt der Schweiß von der Stirn. Seit gut einer halben Stunde tritt die 32 Jahre alte Spanierin auf dem Fahrradergometer in die Pedale, liest in einem Journal und schaut durch die Fensterfront auf das Treiben auf dem Altonaer Bahnhofsvorplatz. Dass sie seit nun acht Monaten im größten Turnverein der Welt Fitness macht, wusste sie bislang nicht. Das interessiert sie höchstens am Rande. "Ich möchte meinen Sport treiben, wann immer ich will. Das kann ich hier, in der Nähe zu meiner Wohnung, zu sehr günstigen Preisen", sagt sie.

Wie Ana Honrado Adán denken die meisten der inzwischen 70.400 Frauen und Männer des Hamburger Vereins Sportspaß. "Unsere Mitglieder wollen kein Vereinsleben führen, sondern Sport konsumieren, nicht mehr und nicht weniger. Den bieten wir ihnen zu einem überzeugenden Preis-Leistungs-Verhältnis für im Grundpreis 8,85 Euro im Monat. Das ist wohl konkurrenzlos", sagt Jürgen Hering. Bei Versammlungen und Vorstandswahlen des Klubs, erzählt der Geschäftsführer, seien daher selten mehr als 20 Leute anzutreffen.

Dass die Erfolgsgeschichte des 1977 mit elf Mitgliedern gegründeten Vereins nichts an ihrer Dynamik eingebüßt hat, scheint selbst Hering zu erstaunen. Allein in den vergangenen zwölf Monaten steigerte Sportspaß die Zahl seiner Kunden noch einmal um 9000, gegen den bundesweiten Trend - und das trotz jährlicher Fluktuation um die 28 Prozent. Die ist hoch gegenüber den anderen 799 Hamburger Vereinen (14 bis 20 Prozent), aber weit niedriger im Verhältnis zu privatwirtschaftlichen Fitnesscentern, die im Durchschnitt jährlich zwischen 60 und 70 Prozent ihrer Mitgliedschaft austauschen. Hinzu kommt, dass Fitness ein Jahreszeitengeschäft bleibt. Über den Sommer versuchen viele ihre Vereinsbeiträge einzusparen und treten einem Klub wieder im kühleren Herbst oder Winter bei.

Nach Bayern München (185.000), dem FC Schalke 04 (111.111) und dem Hamburger SV (71.557) ist Sportspaß momentan der viertgrößte deutsche Verein, aber jener mit den mit Abstand meisten Aktiven. Die Anhängerschaft der Fußball-Bundesligaklubs rekrutiert sich zu 90 Prozent aus Supporters. Weil Sportspaß 53 400 seiner 70 400 Mitglieder beim Verband für Turnen und Freizeit gemeldet hat und dafür Gebühren zahlt, darf sich der Verein als der größte Turnverein der Welt bezeichnen.

Sportspaß (Jahresumsatz zehn Millionen Euro) beschäftigt 1100 Mitarbeiter und Trainer und verfügt heute über sechs eigene Sportcenter - am Berliner Tor, in Altona, Billstedt, der City Nord, am Holsteinischen Kamp und in Harburg - mit insgesamt 16.000 Quadratmetern Fläche. Ein siebtes ist für das nächste Jahr geplant. Den Standort will Hering erst verraten, wenn alle Verträge unterzeichnet sind. Solche Ankündigungen lösten in der Vergangenheit oft Ängste bei den benachbarten Vereinen aus, die einen Run auf den preiswerteren Anbieter fürchteten. Inzwischen ist die Hysterie sachlicher Analyse gewichen. Das Erfolgsmodell Sportspaß - nur Freizeit-, kein Wettkampfsport, Orientierung an den Wünschen der Mitglieder - hat viele Klubs animiert, ihre Angebote, Strukturen und Hierarchien dem Marktführer und vor allem dem Zeitgeist anzupassen, dem Trend zu mehr Individualität. Bestes Beispiel ist dafür der Altonaer Turnverband von 1845, der trotz räumlicher Konkurrenz zu Sportspaß in den vergangenen fünf Jahren fast 900 Beitragszahler dazugewinnen konnte und jetzt 5507 zählt. "Sportspaß", sagt dann auch Günter Ploß, der Präsident des Hamburger Sportbundes (HSB), "füllt offenbar eine Marktlücke und erfüllt damit eine wichtige Funktion in der Sportbewegung unserer Stadt." Das belegt eine weitere Zahl: Für rund 75 Prozent der Neueintritte bei Sportspaß ist der Klub ihr erster Sportverein. Kein anderer Verein zieht zudem Frauen stärker an. 79 Prozent der Mitglieder sind weiblich, im HSB sind es 42 Prozent. Und: Sportspaß ist weit jünger als der Rest der Hamburger Klubs, fast 70 Prozent sind zwischen 19 und 40 Jahre alt (HSB: 34 Prozent).

"Die Hemmschwelle, in Vereine einzutreten, besteht nach wie vor", sagt Sportspaß-Chef Hering, "viele junge Frauen verbinden Sportklubs immer noch mit Vereinsmeierei und Leistungsanforderungen, die sie befürchten nicht erfüllen zu können." In der Anonymität der Masse falle es dagegen vielen leichter, sich ungezwungen zu bewegen. Sie können kommen, gehen und kündigen, wann sie wollen. Der Kontrolldruck der Gemeinschaft entfällt. Davon wissen auch die Gastronomen vieler Vereinsrestaurants zu berichten. Während sich Mannschafts- und Wettkampfsportler hinterher verabreden, verlassen die Fitnesssportler meist umgehend die Anlage. Bei Sportspaß gibt es nicht einmal eine Bar.