Fünf Tage, drei Spiele: Sie profitieren trotz Verletzungssorgen vom Trainingsprogramm eines Norwegers. Heute Partie bei der TuS Metzingen.

Buxtehude. Heute Abend ist wieder einmal Dirk Leuns Improvisationskunst gefragt. Auf dem Spielplan der Handball-Bundesliga steht die Partie bei der TuS Metzingen (20 Uhr), und noch am Vortag wusste der Trainer nicht genau, welche Mannschaft er im Trikot des Buxtehuder SV aufs Parkett des Aufsteigers würde schicken können. Sicher war nur: Es würde nicht die gleiche sein, die zuletzt gegen Blomberg-Lippe groß aufgespielt hatte. Und von dem Rückraum, der noch zu Saisonbeginn vor Monatsfrist so schön harmoniert hatte, würde wohl keine einzige Spielerin mehr zur Verfügung stehen.

Es ist schon ein Jammer: Da spielt Leuns Mannschaft den attraktivsten Handball, den es in Buxtehude je zu sehen gab, da gewinnt sie ihre ersten sieben Partien allesamt und qualifiziert sich erneut für die Champions League. Aber es vergeht kaum ein Spieltag, nach dem nicht eine neue Patientin zu beklagen wäre. Sechs Führungskräfte dürften Leun heute wieder fehlen, im ersten von drei Spielen binnen fünf Tagen.

Isabell Klein ist dabei nicht einmal eingerechnet. Die Kapitänin will gut sechs Monate nach ihrem Kreuzbandriss heute ihr Comeback wagen. Und auch wenn sie die Saisonvorbereitung nicht mitmachen konnte, weiß Leun zumindest eines: "Isi wird körperlich top vorbereitet sein."

Zu verdanken sei das Øyvind Rønhovde. Der 48 Jahre alte Sportlehrer, ein früherer Leichtathlet, steuert seit dieser Saison das Kraft- und Ausdauertraining des deutschen Vizemeisters. Meist aus der Ferne: Rønhovde lebt und lehrt in Norwegen, dem Land des Olympiasiegers, Welt- und Europameisters. Der heutige Bundestrainer Heine Jensen hatte ihn 2008 in seinen Leipziger Trainerstab geholt. Seither kommt Rønhovde immer mal wieder für einige Tage nach Deutschland, um sich über die Entwicklung bei der Nationalmannschaft, beim HC Leipzig und neuerdings auch beim BSV ein Bild zu machen und Maßnahmen abzusprechen. Natürlich habe er Leipzigs Manager Kay-Sven Hähner vorher gefragt, ob es ein Problem sei, dass er den Gegner vom kommenden Sonnabend (16 Uhr, Halle Nord/live bei bsv-live.tv) fit mache. "Aber es war für ihn in Ordnung, weil er findet, dass es den deutschen Handball insgesamt voranbringt."

Denn dass die hiesigen Spielerinnen konditionell rückständig sind, darin sind sich viele Bundesligatrainer einig. Bei der WM 2011 in Brasilien besiegten die deutschen Frauen zum Auftakt den späteren Sieger Norwegen, ehe ihnen im Turnierverlauf die Luft ausging. Dabei, sagt Rønhovde, werde in seine Heimat nicht besser Handball gespielt: "Nur schneller und athletischer."

Mit einem klassischen Mannschaftstraining hat seine Arbeitsweise nicht sehr viel zu tun. "Ich versuche, für jede Spielerin einen Trainingsplan zu entwickeln, der ihren Bedürfnissen entspricht." So lässt Rønhovde die Handballerinnen bei ihren Laufeinheiten individuell zwischen fünf sogenannten Pulszonen hin- und herwechseln, um ihre jeweilige Belastung im Spiel bestmöglich zu simulieren. Den Effekt hat Leun bereits ausgemacht: "Die Mädels merken schon, dass sie richtig fit sind."

Man könne das in Zahlen festmachen. 36,8 Tore hat Buxtehude bisher durchschnittlich pro Bundesligaspiel erzielt, gut elf mehr als in der regulären Vorsaison. "Das ist nur zu schaffen, wenn man läuferisch auf hohem Niveau ist", sagt Leun. Frankfurt (Oder), Blomberg-Lippe und Leverkusen, gegen die man sich in der vergangenen Saison noch bestenfalls zum Heimsieg gequält hatte, wurden mit acht und mehr Toren Differenz aus der Halle Nord geworfen. Das mag damit zu tun haben, dass Leun neuerdings auch offensiv decken lässt. Aber man brauche eben auch die Fitness, um dieses Tempo durchzustehen.

Leun weiß dafür auch konkrete Beispiele aufzuzählen. Linksaußen Lone Fischer laufe die Gegenstöße in der 55. Minute noch mit der gleichen Dynamik wie zu Anfang eines Spiels, obschon ihr Katja Langkeit aufgrund ihrer Knieverletzung derzeit keine Atempause verschaffen kann. "Diesen Zustand zu erreichen ist das größte Ziel dieses Sports", sagt Leun. Nicht zufällig durfte Fischer, 24, vergangene Woche ihre ersten Länderspiele machen. Auch dass Stefanie Melbeck, 35, auf ihre älteren Handballtage noch einen Entwicklungssprung gemacht habe, sei ein Ergebnis von Rønhovdes Trainingsprogramm: "Sie hat weniger Muskelmasse, ist dadurch schneller und braucht weniger Zeit zum Regenerieren."

Melbeck hat vor allem festgestellt, dass das Ausdauertraining wieder Spaß macht: "Es ist viel variabler, als 45 oder 60 Minuten zu laufen." Ohnehin vertrage ihr Knie die langen Einheiten nicht mehr so gut. Vor elf Tagen hat sie es sich auch noch verdreht. Leun rechnet für heute vorsichtshalber nicht mit ihr.