An der privaten Hochschule ISS können Hamburgs Leichtathleten künftig leistungssportgerecht ihre berufliche Zukunft gestalten.

Hamburg. Für Klaus Jakobs beginnt jetzt wieder die Zeit des Briefeschreibens. Das Anliegen von Hamburgs leitendem Leichtathletik-Landestrainer ist jedes Mal das gleiche: Die Hochschulen mögen doch bitte, bitte seine Spitzensportler für zentrale Trainingsmaßnahmen freistellen. Etwa zehn Tage im Monat müsse ein Athlet für Lehrgänge und Trainingslager aufbringen, um sich bestmöglich auf die Saison vorzubereiten. Die Antworten, die Jakobs erhält, sind nicht immer positiv: "Einigen Professoren fehlt jedes Verständnis."

Im Fall von Michael Hamann bleibt Jakobs die lästige Bittstellerei künftig wohl erspart. Der 18 Jahre alte Sprinter vom TH Eilbeck könnte im nächsten Jahr als Erster in den Genuss einer Kooperationsvereinbarung kommen, die der Hamburger Leichtathletik-Verband (HLV) kürzlich mit der International Business School of Service Management (ISS) geschlossen hat. Nach seinem Abitur will Hamann im nächsten Jahr an der privaten Hochschule ein duales betriebswirtschaftliches Studium aufnehmen - und nebenbei seinem Sport so viel Zeit wie möglich widmen.

"Unsere Studienpläne sind modular aufgebaut und so flexibel an die Bedürfnisse der Sportler angepasst, dass sie mit der Training- und Wettkampfgestaltung vereinbar sind", sagt ISS-Geschäftsführerin Svenja Weber. So seien die Präsenzzeiten an der Hochschule auf der Uhlenhorst ebenso individuell gestaltbar wie die Praxiszeiten im Unternehmen. Einige von diesen sind laut ISS-Kanzler Michael René Weber sogar explizit an Leistungssportlern als Auszubildenden interessiert: "Sie suchen nach der Flexibilität, die die Athleten auszeichnet." Ganz abgesehen davon, dass sie mit den Athleten auch potenzielle Werbeträger verpflichten. Etwa ein Dutzend Hockeyspieler haben unter diesen Voraussetzungen bereits ein Studium an der ISS aufgenommen.

Künftig sind fünf Studienplätze für Leichtathleten reserviert, acht sollen es einmal sein. Die Kosten werden aus dem gemeinsamen Sponsorenpool von ISS und HLV bestritten. Das Stipendium sichert den Nachwuchssportlern darüber hinaus ein Einkommen von monatlich 600 Euro. Ein vergleichbares Angebot gab es in der Hamburger Hochschullandschaft bislang nicht.

Für die Firmenkunden der ISS werde sich die Investition in jedem Fall auszahlen, glaubt HLV-Präsident Wolfgang Müller-Kallweit: "Leichtathleten bringen hohe individuelle Leistungsbereitschaft mit, können sich aber auch in Teams einfügen." Die Kooperationsvereinbarung solle sicherstellen, dass der Stadt nicht länger Talente abhandenkommen, weil sie woanders besser für ihre Zukunft vorsorgen können. "Die Leichtathleten sollen nach ihrer Sportkarriere beruflich auf die Füße fallen. Dass wir ihnen jetzt dieses Angebot machen können, ist ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Standorten."

Auch Michael Hamann will sich, bei aller Liebe zum Sport und zu seiner Heimatstadt, nicht erst später fragen müssen, wie das Leben danach weitergeht. Und weil ihn die Bereiche Personalsteuerung, Finanzen und Marketing von jeher interessieren, ist das neue Angebot wie auf ihn zugeschnitten. Am vergangenen Donnerstag hat er sich bei der ISS vorgestellt und ging "mit einem sehr guten Gefühl" nach Hause. Mitte November spricht er bei der Signal-Iduna-Versicherung vor, die den praktischen Teil der Ausbildung übernimmt.

Wenn alles läuft wie geplant, dann ist der Verbleib von Hamburgs größtem Sprinttalent langfristig gesichert. Über die 200 Meter verbesserte sich Hamann in diesem Jahr auf 21,79 Sekunden, in Deutschland war nur ein Vertreter seines Jahrgangs schneller als der Abiturient aus Neugraben-Fischbek. Beim Studium wird er seine Ausdauerqualitäten beweisen können.