Die Hochspringerin scheitert in der Qualifikation und wehrt sich gegen Kritiker, die ihre Nominierung abgelehnt hatten

London. Wenn Kummer ein Gesicht hätte, er würde wohl aussehen wie Ariane Friedrich an diesem sonnigen Donnerstagmorgen im Londoner Olympiastadion. Die Augen gerötet, verirrte sich ihr leerer Blick im Irgendwo. Es war kein schlechter Wettkampf gewesen, diese Qualifikation für das Hochsprungfinale, keineswegs. Aber gereicht hat es eben auch nicht. "Was soll ich sagen?", sprach also Ariane Friedrich. "Ich bin Saisonbestleistung gesprungen und trotzdem nicht glücklich." Eben weil die Geschichte dieses Morgens eine so vertrackte war. Von ihrer eigenen Vorgeschichte ganz zu schweigen.

14 Frauen hatten wie die Deutsche am vermeintlichen Ende des Wettkampfes 1,93 Meter geschafft, nur eine 1,96 Meter. Auch wenn ursprünglich nur zwölf Finalistinnen gesucht worden waren: Die Sache schien für Friedrich geritzt, die Kampfrichter an den Matten signalisierten Einverständnis. Es wäre ja nicht das erste Mal gewesen, dass ein Endkampf mit mehr als zwölf Athletinnen stattgefunden hätte. Doch dann gab es offenbar eine Direktive von höherer Stelle.

"Das war blöd. Ich hab schon gedacht, ich bin im Finale. Wir haben ja alle gedacht, dass wir mit 14 im Finale sind", sagte Friedrich. "Dann hieß es aber: Alle, die die 1,93 Meter erst im dritten Versuch geschafft haben, müssen noch mal die 1,96 Meter probieren." Sie gehörte dazu - und scheiterte knapp. "Der letzte Sprung war drüber, aber ich war ein bisschen zu nah dran und bin mit der Hacke drangekommen." Die Latte fiel, und mit ihr auch Ariane Friedrichs mühsam erarbeitetes Selbstvertrauen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Dabei hatte es gut begonnen. 1,85 m und 1,90 m schaffte sie im Wettkampf auf Anhieb, 1,93 m dann im dritten Anlauf.

Nach dem Aus schwante der 28-Jährigen: Jetzt gehen mancherorts die Diskussionen wieder los über ihre Leistungsfähigkeit nach dem Achillessehnenriss Ende 2010 und ihre Nominierung für London ohne A-Norm. Sie sagte: "Man hat ja gesehen, dass ich 1,96 Meter springen kann. Warum soll das also nicht das Richtige sein? Ich sage ja nicht nur, ich bin in guter Form, nein: Ich bin in guter Form. Das Traurige ist, dass ich das heute nicht so zeigen konnte. Alle haben gesehen, dass ich drüber war." Es klang fast flehentlich.

Was hatte sie nicht gerackert. Zunächst für ihr Comeback nach der wohl übelsten Verletzung, die einer Hochspringerin widerfahren kann. Dann dafür, wieder annähernd auf alte Reiseflughöhen Richtung zwei Meter zu kommen. Und zum Schluss dafür, aller Welt zu beweisen, dass sie das Vertrauen in ihre nicht unumstrittene Olympianominierung rechtfertigen könnte.

"Ich denke, wer bei Olympischen Spielen die beste Leistung des Jahres erzielt, war zu Recht am Start", sagte ihr Trainer und Mentor Günter Eisinger. "So knapp am Finale vorbeizuschrammen, das ist aller Ehren wert. Wer sich mit der Problematik im Vorfeld auseinandergesetzt hat, der weiß das einzuschätzen." Man kann den letzten Satz durchaus als einen versteckten Seitenhieb verstehen.

Zu Friedrichs prominentester Kritikerin hatte sich vor den Spielen Ulrike Nasse-Meyfarth, 56, aufgeschwungen ("Ich habe kein Verständnis für die Sonderbehandlung"). Die Doppelolympiasiegerin von München 1972 und Los Angeles 1984 befand: "Nach ihrem dritten Platz bei der EM in Barcelona im Sommer 2010 hat Ariane Friedrich bis heute keine Leistung gebracht."

Ariane Friedrich hat für derlei Kritik kein Verständnis: "Es ist traurig, wenn man so einen Nestbeschmutzer hat. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich habe in meinen Augen für den deutschen Hochsprung auch schon viel geleistet", sagte die deutsche Rekordhalterin. "Ich möchte mich aber auch nicht auf das Niveau herablassen, zurückzuschießen. Das ist es nicht wert."