Vor dem Achtelfinale gegen England kämpfen DFB-Mediziner um den Einsatz von Schweinsteiger. Auf der linken Seite steht HSV-Profi Marcell Jansen bereit.

Erasmia/Bloemfontein. Showdown in Bloemfontein. Die Engländer plagt schon wieder die nackte Angst vor einem K.o. im Elfmeterschießen – den Deutschen käme das Nervenduell vom Punkt gerade recht. „Wir haben sehr gute Schützen, da brauchen wir uns keine Sorgen zu machen“, stichelte Philipp Lahm. Nach einer spannenden Safari der deutschen Spieler in einem südafrikanischen Löwen-Park kündigte der Kapitän ein Kampfspiel gegen die „Three Lions“ an: „Alle sind hungrig auf Erfolg. Wir müssen mutig sein. Man muss um jeden Zentimeter auf dem Spielfeld kämpfen.“

Die traditionellen Emotionen und Geschichten kochen hoch vor dem Duell der beiden Weltmeister-Nationen am Sonntag (16.00 Uhr/ARD und Sky). Der Fußball-Klassiker ist der erste ganz große K.o.-Knüller bei der WM-Premiere in Afrika. „Die Spiele Deutschland gegen England werden mit viel Brisanz und hoher Intensität geführt“, sagte Joachim Löw. Der Bundestrainer erwartet einen Vergleich „jugendlicher Spielfreude gegen Erfahrung und individuelle Klasse“. Den Millionen schwarz-rot-goldener Fans in der Heimat versprach Löw: „Wir werden in der Lage sein, mit unserer jungen Mannschaft dagegenzuhalten“.

Eine Vorleistung muss die medizinische Abteilung erbringen. Rund um die Uhr arbeitet sie im DFB-Quartier an der Fitness der muskulär angeschlagenen Bastian Schweinsteiger (Oberschenkel) und Jérome Boateng (Wade). Löw verteilte schon vorab „ein Kompliment an die Ärzte und Physiotherapeuten“, trotzdem betreibt er einen Aufstellungspoker: „Es steht hinter beiden Spielern ein ganz großes Fragezeichen“, erklärte der Bundestrainer und begründete: „Wir brauchen Spieler, die alles in dieses Spiel investieren können.“ Es kann ja auch in die Verlängerung gehen und 120 Minuten dauern.

An Training war zwei Tage vor dem Kick-off in Bloemfontein bei Schweinsteiger und Boateng noch nicht zu denken. Lahm ist dennoch „sicher“, dass sein Münchner Club-Kollege Schweinsteiger auflaufen wird: „Er ist ein großer Kämpfer.“ Auch Löw betonte die Bedeutung des Vize-Kapitäns: „Bastian ist das Herz dieser Mannschaft, der Motor im Mittelfeld.“ Der Coach benannte den 20-jährigen Toni Kroos als erste Alternative für Schweinsteiger. „Toni war nach seiner Einwechslung gegen Ghana sofort da. Er hat technisch viele Möglichkeiten.“

Wahrscheinlicher sind zwei andere Veränderungen: Links hinten steht der Hamburger Marcell Jansen für Boateng bereit. Und Miroslav Klose dürfte nach seiner verbüßten Sperre wieder im Angriff Cacau ersetzen. „Es ist gut, dass Miro wieder zur Verfügung steht“, sagte der Bundestrainer. „Er hat seine Gelb-Rote Karte sehr stark bereut und gegen Ghana gelitten.“ Auch Kapitän Lahm baut auf die große Erfahrung Kloses, der sein 99. Länderspiel macht: „Miro hat immer getroffen bei den großen Turnieren.“ Elf WM-Tore sind es bereits.

Festhalten will Löw an seiner wackelnden Abwehr-Latte Per Mertesacker, der zusammen mit Arne Friedrich insbesondere Wayne Rooney stoppen soll. „Per wird mit seiner Kopfballstärke enorm wichtig sein. Er ist eine wichtige Stütze für uns gerade in wichtigen Spielen“, redete der Bundestrainer den Bremer demonstrativ stark.

Während die Spieler am Vormittag laut Lahm ihren „Spaß“ an der Löwen-Safari hatten, heckte Löw mit seinem Trainerstab und Chefscout Urs Siegenthaler im Quartier eine Erfolgs-Taktik gegen die Engländer aus. „Wir wissen, wo England seine Probleme hat“, sagte Löw. Zum Beispiel im Tor mit dem fast 40-jährigen David James.

Preisgegeben wird aber auf beiden Seiten im Vorfeld nichts, höchstens Allgemeines und viel Respekt. „Die Achse Terry, Lampard, Gerrard, Rooney ist die höchste Qualität, die es in Europa gibt“, schwärmte Löw. Und der Italiener Fabio Capello habe dem namhaften Team als Trainer „Disziplin und eine klare Linie“ beigebracht. „Wir wissen, dass sie nicht nur kick and rush spielen werden“, erklärte Lahm. „Kaiser“ Franz Beckenbauer hatte den Engländern diesen Rückfall in alte Rumpel-Zeiten vorgehalten.

„Safety first“ wird für das K.o.-Spiel verordnet. „Jeder Fehler kann entscheidend sein“, mahnte Lahm. Nach vorne soll das Passspiel wieder temporeicher und mit weniger Ball-Kontakten funktionieren. „Und hinten müssen wir weniger Großchancen zulassen“, forderte der Kapitän. Der Prozess ist im Lauf: „Wir sind noch in der Entwicklung.“

Die großen Schlachten wie 1966 im legendären Wembley-Tor-Finale oder die beiden deutschen Siege im Elfmeterschießen bei der WM 1990 und der EM 1996 haben viele junge Spieler gar nicht gesehen. „Die Spiele der Vergangenheit spielen für die Spieler auf dem Platz keine Rolle“, erklärte Lahm. Aber alle fühlen die Bedeutung des Duells.

Die erste WM-Prämie von 50000 Euro kassiert jeder deutsche Spieler bei einem Einzug ins Viertelfinale, womöglich dann gegen Diego Maradonas Argentinier. Sechs Akteure – Lahm, Schweinsteiger, Khedira, Özil, Müller, Cacau – sind von einer Gelb-Sperre bedroht. Löw fördert und fordert dennoch Aggressivität: „Wir verfügen nicht über eine brave Mannschaft. Auf dem Platz zeigt sie viele Emotionen. Wir sind in der Lage, England zu schlagen.“ Millionen Fans hoffen es.