Am vorvergangenen Sonntag ist Mahir Oral zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Beim TuS Finkenwerder, wo er als Zwölfjähriger mit dem Boxen begann, zeichnete der 29 Jahre alte Mittelgewichtsprofi aus dem Hamburger Arena-Stall Nachwuchstalente aus.

Hamburg. - Als Dank überreichte ihm sein Jugendtrainer Mecit Cetinkaya eine Collage mit Bildern aus der alten Zeit, verbunden mit den besten Wünschen für Sonnabend, den Abend, an dem für Mahir Oral der Lebenstraum in Erfüllung geht.

In der Berliner Max-Schmeling-Halle kämpft der in Harburg geborene Deutschtürke, der in seinem zwölften Lebensjahr den deutschen Pass erhielt, zum ersten Mal in seiner Karriere um die Weltmeisterschaft (22.25 Uhr, ARD live). Gegner ist IBF-Champion Arthur Abraham (29) aus dem Berliner Sauerland-Team. "Ich bin der Beweis dafür, dass alles geht, wenn man daran glaubt", sagt Oral stolz.

Der 1,85 Meter große Athlet wuchs in Finkenwerder auf. Anstatt in den Straßen herumzulungern wie viele seiner Freunde, verbrachte er seine Zeit in der Boxhalle. Sein Talent war früh sichtbar, gefördert wurde es kaum. Die Chance, 1995 zur Amateur-WM zu fahren, musste er sausen lassen, weil die Stadt keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen wollte. "Ich habe es bis heute nicht verstanden, warum eine reiche Stadt wie Hamburg einen waschechten Hamburger nicht fördert", sagt er. Der gläubige Moslem fühlt sich als "Hamburger Jung, der die Hamburger Kultur aufgesaugt und verinnerlicht hat."

Im Jahr 2000 brach er eine Schlosserlehre ab, weil ihm sein Förderer Horst Nalbach zur Profikarriere riet. 2002 heuerte er bei der Promotionfirma Sportevents in München an, die ihm eine blühende Zukunft versprach. Zwei Jahre später war die Firma pleite - und Oral vor dem Ende. "Ich hatte kein Team, trainierte dreimal pro Woche", erinnert er sich. Hoffnung keimte auf, als ihm Sauerland im März 2004 einen Kampf gegen den damals unbesiegten Malik Dziarra anbot. Eine Woche vor dem Duell lag er mit 40 Grad Fieber im Bett. Seine damaligen Manager zwangen ihn dennoch in den Ring.

Er verlor den Kampf, es ist bis heute seine einzige Niederlage, aber vor allem den Glauben an sich und sein Können. Ein Jahr pausierte er, bis die Rettung in Person von Ahmet Öner kam. Der heutige Arena-Chef war damals noch für den Konkurrenten Universum tätig und verschaffte Oral einen Kampf im Rahmenprogramm einer Gala im kroatischen Pula. "Da habe ich gespürt, dass mir Boxen noch Freude macht", sagt Oral. 2006 folgte er Öner, als dieser mit Arena seine eigene Promotion gründete.

Oral weiß, dass er gegen Abraham all sein Können abrufen muss. Vor allem darf er sich nicht in eine wilde Keilerei verwickeln lassen. "Ich darf keinen harten Treffer kriegen, denn dann kann es in Runde eins vorbei sein", weiß er. Mit Trainer Hans-Jürgen Witte habe er daran gearbeitet, vom ersten Gong an hellwach zu sein. Ob das gegen Abraham reicht, vermag er nicht einzuschätzen. Doch eines, sagt Oral, ist sicher: "Er hat etwas zu verlieren, ich nicht. Ich habe schon dadurch gewonnen, dass ich um die WM kämpfen darf!"