Nach drei Jahren Bauzeit und Diskussionen über Tradition und Fernsehdiktat gehören die Regenpausen auf dem berühmtesten Rasenplatz der Welt der Vergangenheit an.

London. Sechs Küsse und ganz viel Spaß auf dem Court. Die "liebenden Legenden" Steffi Graf und Andre Agassi haben bei der Einweihungsfeier für das neue Dach des Centre-Courts in Wimbledon das Publikum begeistert und dem bedeutendsten Tennisturnier beim Schritt in eine neue Ära einen fröhlichen und trotzdem würdigen Rahmen gegeben.

Ihr Mixed-Doppel gegen - oder besser mit - Kim Clijsters und Tim Henman bot großartige Unterhaltung für die 15 000 Zuschauer und den Beweis, dass die überaus beliebten Ex-Champions immer noch großartig mit dem Schläger umgehen können. Die 6:7-Niederlage war vollkommen egal.

"Ich habe, glaube ich, noch nie so viel gelacht auf einem Tennisplatz", sagte Andre Agassi. 46 Minuten lang boten die vier eine Mischung aus atemberaubenden Schlägen und lockeren Späßen, bevor zunächst Henman und Agassi und anschließend Graf und Clijsters noch einen Satz im Einzel spielten. Nach jeder besonderen Aktion belohnte sich das deutsch-amerikanische Traumpaar mit einem Kuss.

"Das tun wir immer", sagte Steffi Graf, und ihr Mann ergänzte: "So hat schließlich alles einmal angefangen." Die fast 40-Jährige präsentierte sich rank und schlank wie zu ihren besten Zeiten, ihre Vorhand war immer noch großartig. "Ich war so nervös vor dem Spiel", sagte die siebenmalige Wimbledonsiegerin nach dem gelungenen Spaß, "aber jetzt frage ich nach einer Wildcard für das Turnier." Nichts würden ihre Fans in London lieber sehen.

Um Punkt 14.46 Uhr Ortszeit war das neue Dach über dem Stadion geschlossen. Vier britische Tenöre sangen dazu Leonard Cohens "Hallelujah". Es gab viel Pathos und genauso viel Fröhlichkeit. Die Mischung war vollauf gelungen. Aus der ersten Reihe der königlichen Loge schaute auch Boris Becker den Feierlichkeiten zu. Der dreimalige Sieger hatte gerne die Einladung des Klubs angenommen. Möglicherweise wollte er seiner Verlobten Lilly Kerssenberg auch nur kurz vor der Hochzeit mal das neue "Wohnzimmer" zeigen.

Die 5200 qm große faltbare Plane vermittelt dank eines lichtdurchlässigen Materials immer noch den Charakter einer Freiluftveranstaltung. Nur die Temperatur in der "Halle" beträgt jetzt angenehme 20 bis 23 Grad. Während draußen typisches englisches Wetter mit Wind und Schauern tobte, war es drinnen kuschelig. "Es gibt keinerlei Probleme mit der Standfestigkeit", lobte Henman. Die Ingenieure haben offenbar alles richtig gemacht.

Drei Jahre haben die Bauarbeiten insgesamt gedauert, rund 110 Millionen Euro wurden ausgegeben. Nach dem Turnier 2006 begann die Demontage des alten Daches, 2007 wurde komplett "oben ohne" gespielt, ein furchtbarer Anblick. Im vergangenen Jahr waren die wesentlichen Aufbauten fertiggestellt, aber noch nicht funktionstüchtig. Das Dach ist innerhalb von zehn Minuten zu schließen, ein Match kann nach 30 Minuten fortgesetzt werden, wenn die Luftfeuchtigkeit auf 45 bis 55 Prozent eingestellt ist. Die andauernden Regenpausen gehören damit auf dem berühmtesten Tennisplatz der Welt der Vergangenheit an. "Wir wollten außergewöhnliche Verbesserungen für Spieler, Fans und Fernsehzuschauer des 21. Jahrhunderts einführen", erklärte Klubchef Tim Phillips die Maßnahmen. Das Werk scheint gelungen.