Nach dem Halbfinaldrama fordert Degenfechterin Britta Heidemann eine Weiterentwicklung der Technik

London. Britta Heidemann liebt die ganz große Bühne, deshalb schaute sie leicht irritiert in den halb leeren Interviewraum des Deutschen Hauses in London. Viele Journalisten hatten den Raum am Dienstag wieder verlassen, als die erste deutsche Medaillengewinnerin nach den unglaublichen Ereignissen des Vortages mit 45 Minuten Verspätung eintraf. "Schatz, komm mit", sagte die 29-Jährige zu ihrem Freund Thorsten und ging erst einmal einen Kaffee trinken.

Wenige Minuten später kehrte die Silbergewinnerin im Degenfechten zurück und präsentierte sich im dann gut gefüllten Raum bester Laune. Die Nacht nach der Feier im Deutschen Haus mit ihrer Familie sei kurz gewesen, sagte Heidemann, "aber ich habe wunderbar geschlafen". Kurz vor dem Schlafengehen hatte sich die nach Teamsilber 2004, Einzelgold 2008 und Einzelsilber 2012 nun dreimalige olympische Medaillengewinnerin zur Feier des Tages noch einen Burger in der Mensa im olympischen Dorf gegönnt.

Als die Bedienung sie fragte, wie es ihr gehe, präsentierte Heidemann der verdutzten Frau ihre Silbermedaille. "Die war total begeistert. Für solche Momente ist die Plakette auch da", sagte die Leverkusenerin. Die blonde Fechterin war entspannt, mit sich und der Welt im Reinen. Sie lächelte viel und sagte: "Leider hat es nicht für den letzten Treffer gereicht, aber ich bin mit Silber glücklich." Nicht so glücklich war sie allerdings über den Zeitmess-Eklat im Halbfinale gegen die Südkoreanerin Shin A Lam, der sie möglicherweise den goldenen Triumph gekostet hat.

"Wir brauchen mehr Transparenz bei der Zeitmessung, vielleicht sollte die Uhr auch Hundertstel anzeigen", sagte Heidemann: "Vielleicht ist es gerade gut, dass so etwas hier passiert ist, da muss gehandelt werden." Über eine Stunde hatte sie nach ihrem Last-Second-Treffer, ewigen Diskussionen der Kampfrichter und zwei südkoreanischen Protesten warten müssen, ehe sie als Siegerin feststand. Die Folgediskussion aber blieb: War die Zeit schon abgelaufen oder nicht?

Shins faires Einverständnis, bei 5:5 und eigentlich abgelaufener Kampfzeit noch einmal auf 0:01 zurückzustellen, als die Uhr schon 0:00 zeigte, und damit Heidemann die Chance zum "plötzlichen Tod" zu geben, musste die Jury in letzter Konsequenz dazu bringen, den südkoreanischen Protest abzulehnen. Sie konnte gar nicht anders, hieß es in Kreisen Offizieller - weil Shin zuvor Ja zur "Verlängerung" gesagt hatte.

"Die Koreaner haben verständlicherweise Protest eingelegt. Das hätten wir auch gemacht, wenn ich den Treffer nicht bekommen hätte", bemerkte Heidemann später. Zwischen Deutschen und Südkoreanern endete aber alles friedlich: Shins Trainer ging auf Britta Heidemann und ihren Mentor Manfred Kaspar zu, es gab Umarmungen und Shakehands.

Das Finale gegen die Ukrainerin Jana Schemjakina hatte Heidemann anschließend im Sudden Death 8:9 verloren, was nach all dem Glück der vorigen Kämpfe logisch schien: "Das war ein absolutes Drama, ich hatte ja schon drei knappe Gefechte in den vorigen Runden, ich habe viele Nerven gelassen und war sehr erschöpft", sagte Heidemann.

Obwohl das goldene Happy End ausblieb, passt dieser dramatische Fechttag in die Lebensgeschichte der Britta Heidemann. 2008 wurde sie ausgerechnet bei den Sommerspielen von China, wo sie lange studiert hatte, mit ihrem Triumph zum weltweiten Star des Fechtens. Sie wurde zur Werbefigur und machte sich selbstständig. Unter anderem ist sie für die Bundesregierung als Botschafterin für die Beziehungen zu China tätig und bietet Seminare für Unternehmen an.

Dass sie sich nicht mehr ganz aufs Fechten konzentriert, führte 2011 zum sportlichen Absturz. Doch Heidemann kam genau im richtigen Moment auf die ganz große Bühne Olympia zurück. "Ich werde das alles in meinem Leben so beibehalten. Und mir nach London Gedanken über meine Zukunft als Sportlerin machen."

Die deutsche Sportprominenz war nach fast drei medaillenlosen Tagen in London jedenfalls sehr glücklich, dass es eine Frau mit so viel Courage gibt. "Das ist eine großartige Leistung nach zwei wahren Krimis. Ich kann nur den Hut ziehen", sagte DOSB-Präsident Thomas Bach. Britta Heidemann nahm das Lob gelassen, sie dachte schon an den Teamwettbewerb am Sonnabend: "Da möchten wir voll angreifen." Gold ist der Traum, denn Heidemann liebt die ganz große Bühne.