Haas gewinnt beim Tennisturnier am Rothenbaum gegen Simon und steht im Viertelfinale. Dort trifft er auf Mayer

Hamburg. Für einen, der gerade 126 Minuten im Sand gespielt hatte, machte Tommy Haas einen aufgeräumten Eindruck. Nicht einmal eine Minute nachdem er durch einen 4:6, 6:3, 6:4-Erfolg über Titelverteidiger Gilles Simon das Viertelfinale des Herrentennisturniers am Rothenbaum erreicht hatte, stellte sich der 34-Jährige auf dem Centre-Court den Fragen von Stadionsprecher Matthias Killing. Haas atmete nicht schwer, sondern wirkte tiefenentspannt. Er formulierte artige Sätze, in denen er die 5000 Besucher für ihre Unterstützung lobte, kurz: Er machte den Eindruck eines Mannes, der genau weiß, was er will und wie er es erreichen kann, und der sich von den Erwartungen, die auf ihm lasten, nicht verrückt machen lässt.

Dass es nun nur noch drei Siege sind bis zur Erfüllung seines Traums, einmal in seiner Geburtsstadt zu triumphieren, war Mitte des zweiten Satzes nicht absehbar gewesen. In Gedanken, gab der Weltranglisten-49. später zu, hatte er sich bereits wieder im Flugzeug Richtung Los Angeles gesehen. In seiner Wahlheimat findet in der kommenden Woche das nächste Turnier statt, und wenn Haas nicht eine wundersame Wandlung vollzogen hätte, dann wäre der Familienausflug nach Hamburg gestern beendet gewesen. 3:2 führte Simon, Haas hatte seinen Aufschlag mit einem Doppelfehler abgegeben und damit einem eineinhalb Sätze währenden Fehlerfestival die Krone aufgesetzt. "Ich wusste in dem Moment, dass ein Wendepunkt kommen musste. Ich habe daran gedacht, dass es ansonsten nach Hause geht, wenn es nicht besser wird", sagte er.

Es ist eine der hervorstechenden Qualitäten des ehemaligen Weltranglistenzweiten, dass er solch dringend benötigte Wendepunkte herbeizuführen weiß. Plötzlich spielte Haas aggressiv, übernahm die Kontrolle und setzte den Franzosen dermaßen unter Druck, dass dieser unweigerlich Fehler machte. Der Rollentausch bewirkte, dass sich das Match drehte. Selbst Krisenmomente wie im dritten Satz, als Haas bei 4:3-Führung ein unnötiges Break kassierte, brachten den Deutschen nicht mehr aus dem Konzept. Er antwortete mit einem Rebreak, nach 2:06 Stunden nutzte er seinen ersten Matchball.

"Es war eine Riesenleistung von Tommy, dass er sich in dieses Match zurückgekämpft hat", lobte Daviscup-Teamchef Patrik Kühnen, der das Match aus seiner Loge beobachtet hatte. Der 46-Jährige schaut in diesen Tagen ganz genau auf die Leistungen seiner Spieler, schließlich steht vom 14. bis 16. September am Rothenbaum das Relegationsspiel um den Verbleib in der Weltgruppe gegen Australien an. In der aktuellen Form wäre Haas ein Kandidat für dieses Spiel, doch an solche Dinge will er nicht denken. Dass er als Titelverteidiger-Besieger nun automatisch zum Kreis der Turnierfavoriten gezählt werden muss, wollte er ebenfalls nicht überbewerten, und er tut gut daran, denn im Viertelfinale wartet morgen die nächste hohe Hürde.

In einem deutschen Duell trifft Haas dann auf Florian Mayer. Der Weltranglisten-23. aus Bayreuth machte gegen den Niederländer Robin Haase beim 6:2, 6:1 in nur 56 Minuten "eins der besten Spiele meiner Karriere". Für das Treffen mit Haas, gegen den er in drei Spielen dreimal verlor, zuletzt allerdings vor fünf Jahren, hatte der 28-Jährige eine erstaunliche Einschätzung parat. "Ich freue mich sehr auf das Match. Tommy ist der letzte Typ im deutschen Tennis", sagte er. Auf Nachfrage, ob er sich damit nicht selbst zurücksetze, sagte er: "Ihr Medien schreibt das doch immer, also muss es stimmen. Und auch wenn ich finde, dass wir anderen manchmal zu schlecht wegkommen, stimmt es ja, dass Tommy auf dem Platz anders auftritt als wir anderen. Er ist einfach ein geiler Typ!"

Kühnen freute sich vor allem, dass einer seiner Spieler sicher im Halbfinale steht. "Einen Favoriten sehe ich nicht, beide haben bislang überzeugt und sind in starker Form. Es wird ein Match auf Augenhöhe", sagte er.

Heute haben zwei weitere Deutsche die Chance, Haas und Mayer ins Viertelfinale zu folgen. Der Augsburger Philipp Kohlschreiber, 28, geht als leichter Favorit in sein Match gegen den Italiener Fabio Fognini, der Reinbeker Julian Reister, 26, ist gegen den Franzosen Jeremy Chardy Außenseiter. Gestern schied Reister an der Seite seines Hamburger Trainingspartners Tobias Kamke im Doppel aus, die beiden unterlagen Alexander Peya/Nenad Zimonjic (Österreich/Serbien) 4:6, 1:6.