Der Hamburger Tennisprofi Tommy Haas zeigt der Familie die Orte seiner Kindheit - und will das Turnier am Rothenbaum gewinnen.

Hamburg. Sollten Sie in der Weidenallee 45 wohnen und es klingelt in den kommenden Tagen an Ihrer Tür, obwohl Sie keinen Besuch erwarten, dann öffnen Sie trotzdem. Es könnte Tommy Haas sein. Deutschlands bekanntester Tennisprofi ist zurück in seiner Geburtsstadt, zum ersten Mal seit 2006, als er am Rothenbaum in Runde eins gegen den Schweden Robin Söderling, vor allem aber wegen Atemschwierigkeiten infolge einer Allergie gescheitert war. Haas hat sich vorgenommen, seiner Verlobten Sara Foster und dem 20 Monate alten Töchterchen Valentina, die Hamburg bislang nur aus seinen Erzählungen kennen, jene Ecken der Stadt zu zeigen, die ihn geprägt haben.

In der Weidenallee 45 ist der 34-Jährige aufgewachsen, in der Tornquiststraße ging er zur Grundschule, später besuchte er das Gymnasium am Kaiser-Friedrich-Ufer. "Ich möchte mir die Zeit nehmen, mal zu unserem alten Haus zu fahren und einfach zu klingeln. Wenn ich Glück habe, kann ich meiner Familie das Zimmer zeigen, in dem ich früher geschlafen habe", sagt er. Aber neben den Eimsbütteler Erinnerungen will der Weltranglisten-48. auch seine Lieblingseisdiele in Blankenese aufsuchen. In der Schlachterbörse war er schon zum Abendessen, und auch die Reeperbahn ist ein Muss. "Meine Verlobte soll endlich das sehen, wovon ich sonst nur erzähle", sagt Haas.

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Nach gut zwei Jahren, die von etlichen Verletzungssorgen geprägt waren, hat sich Haas wieder in die erweiterte Weltspitze zurückgekämpft. Der Wahl-Amerikaner, der mittlerweile in Los Angeles lebt, ist wieder die Attraktion im deutschen Herrentennis. Sein Endspielsieg beim Rasenturnier im westfälischen Halle, als er vor einem Monat im Finale den Schweizer Branchenprimus Roger Federer bezwang, sorgte für eine Haas-Euphorie, die selbst vor zehn Jahren, als er an Position zwei der Weltrangliste geführt wurde, kaum größer war. Als er im Frühjahr ankündigte, alle deutschen Turniere spielen zu wollen, war bereits von einer Abschiedstournee die Rede. Davon will Haas, der in seiner Karriere 13 ATP-Turniere gewann, jedoch nichts wissen, wie er gestern bei einem Pressegespräch am Rothenbaum bekräftigte. "Es gibt keine Emotionen, die mit dem mithalten, was mir ein Sieg auf dem Tenniscourt gibt. Deshalb werde ich versuchen, diesen Sport so lange auszuüben, wie es mein Körper mitmacht", sagte er.

In Hamburg wird Haas nicht nur von Frau und Kind, sondern auch von seinen Eltern Peter und Brigitte und seiner jüngeren Schwester Karin begleitet. Die Ältere, Sabine, war in der vergangenen Woche in Stuttgart dabei. "Tommy ist ein Familienmensch, er genießt es sehr, dass wir uns hier alle sehen können", sagt der Vater. Der 63-Jährige hat sich von den Folgen seines schweren Motorradunfalls vor zehn Jahren in Florida gut erholt, er sieht frisch aus, fährt wieder Harley und treibt regelmäßig Sport. Gestern absolvierte er im Club an der Alster ein Fitnesstraining. Das Comeback seines Sohnes sieht er als keine große Sache an. "Wir sind alle Kämpfer, und mir war klar, dass Tommy es packen würde, wenn der Körper mitmacht. Spielerisch gehört er immer noch in die Top Ten", sagt Peter Haas.

Die Eltern, die von 1969 bis 1994 in Hamburg lebten und noch rund viermal im Jahr aus dem oberbayerischen Bad Aibling anreisen, wohnen in dieser Woche in der Privatwohnung eines Freundes, nur 100 Meter entfernt vom Hotel Grand Elysée am Dammtor, wo der Rest des Clans logiert. Regelmäßig besuchen sie ihren Sohn auch in den USA, halten fast täglich Kontakt über Bildtelefonanbieter im Internet. "Tommy hat sich durch seine Vaterrolle noch einmal verändert, er ist reifer geworden", sagt der Vater. "Man spürt, dass er nicht mehr nur Tennisprofi ist, sondern eine ganz andere Verantwortung trägt." Zu dieser gehört auch, der Tochter die deutsche Sprache beizubringen.

Den Eindruck, er wolle den Ausflug nach Hamburg nur zu touristischen Zwecken nutzen, will Thomas Mario Haas heute (14.30 Uhr/Hamburg 1) in seinem Erstrundenmatch gegen den Slowaken Martin Klizan (23, Nr. 59 der Welt) zerstreuen. "Er ist einer der vielen jungen Spieler auf der Tour, die ich nicht gut kenne. Ich werde alles geben, um zu gewinnen", sagt er. Ihn treibt der Traum an, der erste deutsche Rothenbaum-Sieger seit Turnierdirektor Michael Stich 1993 zu werden. Darüber sprechen mag er allerdings nicht. Er schaut nur noch von Runde zu Runde und genießt, was er tut. Auf dem Tennisplatz - und mitten im Leben.