Golflegende Gary Player, 76, im Sportgespräch über Fitness im Alter, das Problem mit begabten Söhnen und seinen Reise-Weltrekord

Hamburg. Pünktlich auf die Minute erscheint Gary Player im Nebenraum des Louis C. Jacob an der Elbchaussee. Am Vorabend hat er mit Jugendlichen eine Runde in Falkenstein gespielt. Bestens gelaunt bestellt er sich einen "German Toast", also Vollkornbrot, das er mit viel Honig bestreicht.

Hamburger Abendblatt:

Herr Player, Sie sehen mit Ihren 76 Jahren so schlank und fit aus wie zu aktiven Zeiten. Wie alt fühlen Sie sich?

Gary Player:

Ich ließ gerade in Hamburg mein Blut testen. Als der Arzt meinen Blutdruck nahm, sagte er: Ich glaube nicht, was ich sehe! Ich hatte 109:67, die Werte eines jungen Mannes. Aber ich ernähre mich auch gut.

Schon immer?

Player:

Seit sieben Jahren. Ich bekam ein wenig Arthrose in den Fingern und fühlte, dass ich altere. Nur ein bisschen. Ich war an so vielen Orten auf der ganzen Welt, auch im Hunza-Tal am Himalaja, wo die Menschen über 100 Jahre alt werden. Die essen die ganzen Fette nicht. Ich war sehr überrascht, in Deutschland die Leute beim Frühstück mit ihrem kalten Fleisch zu sehen. Das ist so schlecht für das Cholesterin! Oder Speck. Sie müssen sich von den Fetten und vom Zucker fernhalten. Und Sie müssen trainieren. Aber es ist einfacher, einen Elefanten durch ein Nadelöhr zu bekommen, als den Durchschnittsbürger zum Trainieren und zur richtigen Ernährung zu bringen.

Früher waren Sie auch ein Trainingsweltmeister. Und heute?

Player:

Ich mache noch heute viermal die Woche 1000 Sit-ups. Schauen Sie, das hier ist wie eine Holzbohle (schlägt sich die Faust auf den Bauch und lacht). Die meisten Leute in meinem Alter haben mit so etwas abgeschlossen, dabei realisieren sie nicht, dass ihr Sterben mit der Schwergewichtigkeit beginnt.

Was gab Ihnen den Impuls, so viel zu trainieren?

Player:

Mein Bruder ist schuld. Er war 17, als er in den Zweiten Weltkrieg zog, um an der Seite der Alliierten zu kämpfen. Er sagte mir vor seine Abreise: Wahrscheinlich komme ich nicht zurück, du musst mir versprechen, dein ganzes Leben zu trainieren. Seit 63 Jahren tue ich das ...

... und genauso lange reisen Sie um die Welt. Warum tun Sie sich das noch an?

Player:

Ich glaube nicht, dass jemals ein Mensch so viel herumgekommen ist wie ich. Ein Business-Mann reist 20 Jahre, ich 60. Sie müssen beschäftigt, in Bewegung sein, sonst altern Sie noch viel schneller. Wir entwickeln Golfplätze, ich organisiere eine Menge Firmentage. Und wir haben eine wundervolle Charityaktion, mit der wir unterprivilegierten Kindern helfen. Die Berenberg Bank hat mir dabei sehr geholfen, zum Beispiel mit einem Turnier in Südafrika. Deshalb bin ich auch in Hamburg, um weitere Aktionen zu besprechen. Wissen Sie, was mein großer Wunsch für die jungen Menschen heute ist?

Erzählen Sie.

Player:

Die Schulen lehren leider nur akademische Dinge. Wenn sie die Schule verlassen, ist das der Zeitpunkt, an dem die Probleme beginnen. Dabei sollten sie präpariert sein, wie man richtig lacht oder die Menschen grüßt, wie man richtig isst, wie man trainiert. Das tun die Schulen nicht. Was ist das Wichtigste in deinem Leben? Deine Gesundheit! Aber niemand kümmert sich darum. Das ist unglaublich! Wenn Sie jeden in diesem Land nehmen würden und trainieren und essen ließen, so wie ich es tue, würde die Wirtschaft wahrscheinlich um 20 Prozent besser dastehen. Nummer eins in der Schule sollten 30 Minuten Training am Tag sein. Dein Körper ist wie ein Tempel. Kein Alkohol, keine Drogen!

Sie waren Ihr ganzes Leben sehr diszipliniert, haben für Golf gelebt und alle Titel gewonnen, sogar auf der Seniorentour. Waren Sie Ihres Sports nie überdrüssig?

Player:

Ich war ziemlich klug, ich kaufte eine Farm. So hatte ich etwas anderes außer Golf. Niemand kann sich vorstellen, wie mein Leben auf Flughäfen über die Jahre aussah, zwischen den Zeitzonen. Ich sagte: Moment mal, ich muss was tun, wenn ich nach Hause komme, muss ich etwas Friedliches vorfinden - und die beste Form dafür ist, wenn du mit der Natur in Berührung kommst. Auf einer Farm. Dort kann ich regenerieren und wieder losziehen.

Wie häufig spielen Sie heute noch?

Player:

Oh, immer noch einige Turniere, ich bin noch wettbewerbsfähig (lacht) . Ich schlage mein Alter so gut wie jedes Mal, wenn ich spiele.

Ist es schwer zu akzeptieren, dass Sie nicht mehr so weit schlagen wie früher?

Player:

Ich kann nicht mehr rausgehen und gewinnen. Du kannst nicht alles haben im Leben. Während andere im übertragenen Sinne nur ein Stück Brot und eine Tasse Kaffee am Tisch hatten, saß ich vor einem Festessen. Ich hatte alles! Ich wollte den Weltrekord im Golf, das war mein eigener Auftrag. Später, als ich die Tafel verließ, war ich dennoch sehr glücklich.

Würde Sie nicht der Vergleich mit den heutigen Assen reizen?

Player:

Oh ja. Ich würde es lieben zu sehen, was passiert, wenn ich jeden Tag trainieren würde wie die ganzen jungen Spieler, Tiger Woods und die ganzen Kerle. Wie gut könnte ich noch werden? Mein Körper ist immer noch der eines jungen Mannes.

Zwei Aussagen von Ihnen sind berühmt: Je härter du trainierst, je mehr Glück hast du. Und: Alles ist im Geist. Was ist wichtiger: Training oder das Mentale?

Player:

Beides ist wichtig. Aber dein Verstand kontrolliert alles. Es ist eine regelrechte Schlacht, deinen Geist positiv arbeiten zu lassen. Das Negative ist sehr stark, aber du hast eine Wahl, ob du positiv oder negativ bist. Jeden Tag!

Was waren Ihre Gedanken beim letzten Putt vor einem großen Sieg?

Player:

Ich sagte mir: Glaubst du, dass du mehr Druck hast als damals als Junge, allein in dem dunklen Haus? Ich sagte mir, als junger Bursche war es viel schwieriger. Also, come on! Wenn du dir sagst, dass das früher schwieriger war, ist es heute viel einfacher. Also, hole dir das Par. Bleibe positiv. Du musst deine Nerven kontrollieren, das ist das Ding. Schauen Sie auf Tennisspieler wie Nadal oder Djokovic. Du hast den Eindruck, dass die es fast genießen können, körperlich zu leiden. Jeder, der ein großes Sportevent gewinnt, muss leiden.

Warum war Ihre Kindheit so hart?

Player:

Ich musste daran denken, als ich jetzt mit Jugendlichen in Falkenstein spielte. Ich hatte früher nie die Chance, mit einem Champion zu spielen. Als ich damals nach Hause kam von der Schule, zog ich die Schuhe aus und meine Hosen für den nächsten Tag an. Es war dunkel, niemand war zu Hause, meine Mutter war tot, mein Bruder im Krieg, mein Vater arbeitete in einer Goldmine, 3000 Meter unter der Erde. Das musste man erst mal ertragen können.

Kann man Ihre Leidenschaft, Ihren Willen, ohne solche Erlebnisse erlernen?

Player:

Kaum. Wenn Sie ihre Kinder zu sehr verwöhnen, ruinieren Sie sie. Mir passierte das auch. Einer meiner Söhne ist Golfpro. Jack Nicklaus sagte mir: Dein Sohn ist der beste Nachwuchsgolfer in der Welt. Er war so gut.

Aber dann?

Player.

Ich verwöhnte ihn zu sehr. Er wollte Schläger. Ich kaufte sie. Er brauchte ein Auto. Ich zahlte. Er brauchte Geld. Ich gab es ihm. Wenn ich ihn ein Jahr ins Gefängnis gesteckt hätte, wäre er ein Champion geworden.

Sind die Menschen heute zu schnell mit dem Erreichten zufrieden?

Player:

Das kommt auf das Land an. Die Jungs hier werden die Chinesen nicht schlagen. Die fahren dort an der Universität mit dem Bus, mit dem Zug, dem Fahrrad, einige haben vielleicht ein Handy. Aber die können nicht wie hier oder in den USA zu Hause anrufen und um mehr Geld bitten. Die müssen es dort schaffen! Die schaffen es in China eher, Entschlossenheit zu vermitteln. Hier im Westen heißt es: Okay, nächstes Jahr kommt die nächste Chance.

Martin Kaymer war die Nummer eins, jetzt ist er auf Position 15. Warum ist es so hart, an der Spitze zu bleiben?

Player:

Martin Kaymer ist so ein wundervoller junger Mensch, ein großartiger Botschafter Deutschlands. Wäre er mein Sohn, wäre ich sehr stolz auf ihn. Werden Sie ihn vielleicht bald treffen?

Er spielt im Juli in Hamburg, Warum?

Player:

Fragen Sie ihn mal, was er denkt bei Sandschlägen, bei Chips, bei Pitches. Das würde mich wirklich interessieren.

Was ist das Problem?

Player:

Was passiert mit diesen Golfern? Sie haben so viele Lehrer, nicht speziell Kaymer. Sie haben Lehrer, wenn du die nach Augusta schickst, können die keine Runde unter 100 spielen. Als Spieler musst du stark selektieren, wen du als Coach auswählst. Wenn jemand nicht richtig gut spielt, wie will er dann wissen, wie man einen Champion lehrt? Was will er mir sagen, wenn ich beim Masters an der letzten Bahn ein Par benötige? So passierte es auch Tiger Woods. Alle diese verschiedenen Lehrer! Das hat bei seinem Schwung nur Verwirrung gestiftet. Jeder Coach erzählte ihm etwas anderes.

Wird Tiger Woods wieder so stark spielen wie früher?

Player:

Das weiß niemand. Er ist der talentierteste Spieler, der jemals Golf gespielt hat. Es war traurig anzusehen, wie er diese verschiedenen Dinge beigebracht bekam von den ganzen Coaches. Mit seinem alten Schwung hätte er leicht 30 Majors gewonnen.

Wer hat heute den besten Schwung?

Player:

Rory McIlroy. Ich glaube aber nicht, dass er sich passend auf Turniere vorbereitet. Er glaubt aber, was er tut, ist fein. Davor habe ich Respekt. Louis Oosthuizen ist auch gut, aber nicht hungrig genug. Ich kritisiere das nicht. Er verdient Geld, hat Spaß, genießt das Leben. Das ist seine Wahl.

Hatten Sie nicht mehr Spaß damals?

Player:

Wir hatten ein anderes Leben. Heute ist sehr viel Geld im Spiel. Wenn du jemanden haben willst für ein Charityturnier, bietest du ihm 100 000 Dollar Startgeld. Manche der Spieler sind noch nicht einmal interessiert. Wie viele Menschen auf der Welt machen 100 000 Dollar im Jahr? Ein Prozent? Hätte man mir das damals angeboten, wäre ich mit dem Ruderboot über den Ozean gekommen. Als wir jung waren, wohnten wir während der Turniere in den Häusern der Klubmitglieder, tanzten abends mit ihren Frauen. Und am nächsten Tag spielten wir Golf.