In einem hochklassigen Match bezwang Federer Novak Djokovic und trifft im Endspiel auf Murray, den ersten britischen Finalisten seit 1938.

London. Das Traumfinale beim Tennisturnier von Wimbledon ist perfekt: Auf dem heiligen Rasen des All England Clubs treffen am Sonntag der sechsmalige Champion Roger Federer und Lokalmatador Andy Murray aufeinander. Während der Publikumsliebling aus der Schweiz mit dem siebten Wimbledontitel auf den Thron der Tennis-Welt zurückkehren will, hat Murray mit dem ersten Finaleinzug eines Briten seit 74 Jahren die Hoffnungen einer ganzen Nation bereits erfüllt.

Federer gewann das Gigantenduell gegen Titelverteidiger Novak Djokovic, das die Tageszeitung „The Times“ „zum Vater und zur Mutter aller Halbfinals“ ausgerufen hatte, nach 2:19 Stunden 6:3, 3:6, 6:4, 6:3 und lieferte damit auf dem Centre Court die Ouvertüre für Murrays mit Spannung erwarteten Auftritt. Fast 15.000 Zuschauer und Tausende mehr vor der großen Leinwand auf dem „Mount Murray“ peitschten ihn zum 6:3, 6:4, 3:6, 7:5 gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga.

„Ich bin erleichtert und aufgeregt zugleich. Es ist kaum zu erklären, wie ich mich fühle. Es war so ein enges Spiel, und ich bin glücklich, durch zu sein“, sagte Murray, dem nach dem Matchball Tränen in die Augen geschossen waren.

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Der Favorit im Endspiel ist allerdings Maestro Federer, der mit seinem siebten Wimbledontitel zum Rekordhalter Pete Sampras aufschließen kann. Sein insgesamt 17. Sieg bei einem Major würde ihn nach zweijähriger Abstinenz wieder auf Platz eins der Weltrangliste katapultieren. Damit würde er auch Sampras’ Bestmarke von 286 Wochen an der Spitze egalisieren, doch Federer hält das alles für zweitrangig: „Ich wollte nur meine Chance auf einen weiteren Titel wahren. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen.“

Das tat der 30-Jährige, dem viele Experten einen Erfolg gegen Djokovic nicht mehr zugetraut hatten, dennoch eindrucksvoll. Im 27. Duell mit dem Serben gewann Federer zum 15. Mal, es war allerdings das erste Match der beiden Dauerrivalen auf Rasen. „Es war klar, dass es hier ein anderes Spiel wird“, sagte der Schweizer, dem in der gesamten Begegnung nur zehn unnötige Fehler unterlaufen waren. Zuletzt hatte Federer sechs der letzten sieben Duelle gegen Djokovic verloren, teilweise schmerzhaft knapp nach Matchbällen wie bei den US Open 2011, teilweise erschütternd chancenlos wie bei der Dreisatzpleite im Halbfinale der French Open.

Im Londoner Bezirk SW19, wo sich Federer am wohlsten fühlt, widerlegte er seine Kritiker. Boris Becker, der gemeinsam mit Federer, Sampras und dem Briten Arthur Gore mit sieben Finalteilnahmen an der Spitze der Rekordliste gestanden hatte, musste den Schlüssel zu seinem Wohnzimmer weiterreichen. „Highspeed-Tennis“ nannte der deutsche BBC-Experte Federers Auftritt, mit dem dieser sein achtes Wimbledonfinale erreichte.

Djokovic stemmte sich gegen Federers herausragendes Rasentennis. Im dritten Satz wehrte der 25-Jährige drei Breakchancen ab, doch Federer ließ nicht locker. „Das war der Schlüssel zum Sieg“, sagte er, und Djokovic bestätigte: „Von dem Satzverlust habe ich mich nicht mehr erholt.“

Die Enttäuschung war ihm anzumerken, als er auf der Pressekonferenz einen Journalisten anmeckerte: „Sie mögen es wohl, über Roger zu sprechen.“ Djokovic deutete körperliche Probleme an: „Ich habe mich in den letzten fünf Tagen nicht besonders wohl gefühlt. Darüber will ich jetzt allerdings nicht reden. Ich war nicht auf meinem Top-Level.

Das erreichte Andy Murray just zum Zeitpunkt, als es darauf ankam. Dreimal war der Weltranglistenvierte in den vergangenen Jahren im Halbfinale gescheitert, viermal war dies Tim Henman passiert, dreimal vergab Roger Taylor die Chance und einmal verfehlte Mike Sangster den finalen Schritt. So wartete ganz Großbritannien, die einst so stolze Tennisnation, seit Henry “Bunny„ Austins Endspiel 1938 auf einen neuen Helden.

Die Times hatte geschrieben: “Der Geist von Bunny Austin wird auf Murrays Schultern sitzen, wenn er gegen Tsonga spielt." Sollte es so gewesen sein, dann beflügelte er den 25-Jährigen. Murray hatte vor dem Match gesagt: “Ich verstehe, wie wichtig das Finale ist, aber ich will dies für mich selbst schaffen."

Gewinnt er auch noch das Traumfinale gegen Federer, dann wird der Schotte zum Liebling des gesamten Königreichs und hat den Wimbledonfluch gebrochen - für die ganze Nation. Der große Fred Perry hatte als letzter Brite 1936 auf dem heiligen Rasen triumphiert.

„Der Druck und der Stress waren immer im Hinterkopf, auch wenn ich versucht habe, es auszublenden“, sagte Murray: „Das ist hier aber nicht das Ende des Turniers. Ich werde den Sieg nicht feiern, nur genießen.“

Petzschner/Melzer scheitern im Doppel-Halbfinale

Philipp Petzschner aus Bayreuth hat an der Seite seines österreichischen Doppelpartners Jürgen Melzer das Finale von Wimbledon verpasst. Das Duo unterlag in der Neuauflage des Endspiels von 2010 Robert Lindstedt (Schweden) und Horia Tecau (Rumänien) 4:6, 7:6 (12:10), 4:6, 3:6. Petzschner/Melzer hatten vor zwei Jahren den Doppeltitel im All England Club gewonnen.

Lindstedt und Tecau stehen damit zum dritten Mal in Serie im Finale des wichtigsten Tennisturniers der Welt. Dort treffen sie überraschend nicht auf die Brüder Mike und Bob Bryan, die in Wimbledon als Titelverteidiger an den Start gegangen waren. Die US-Amerikaner unterlagen Jonathan Marray (Großbritannien) und Frederik Nielsen (Dänemark) im Halbfinale.

Marray ist der erste Brite im Doppelfinale seit 62 Jahren. Seinem dänischen Doppelpartner liegt das Rasenspiel allerdings im Blut. Nielsens Großvater hatte 1955 das Einzelfinale im All England Club erreicht.

Serena Williams, die am Samstag im Einzel gegen Agnieszka Radwanska (Polen) um ihren fünften Titel spielt, greift derweil auch im Doppel nach ihrem fünften Wimbledonsieg. An der Seite ihrer Schwester Venus steht die US-Amerikanerin im Endspiel gegen Andrea Hlavackova und Lucie Hradecka aus Tschechien. (sid/abendblatt.de)