HSV-Weitspringer wird Europameister. Deutsche Leichtathleten gewinnen in Helsinki sechs Titel und 16 Medaillen

Helsinki. Sebastian Bayer schnappte sich die schwarz-rot-goldene Fahne und präsentierte den Fotografen sein Siegerlächeln: Mit einem Supersatz auf 8,34 Meter sprang der Hamburger bei den Leichtathletik-Europameisterschaften zur Goldmedaille und sicherte sich nach zwei Hallen-EM-Titeln den ersten großen internationalen Titel der Karriere unter freiem Himmel. Hinter dem 26-Jährigen vom HSV holte der Spanier Luis Méliz (8,21) Silber, Bronze ging an Michel Tornéus aus Schweden (8,17).

Bayer, als Favorit gestartet, machte es drei Jahre nach seinem sensationellen 8,71-Meter-Sprung zu Europarekord und Gold bei der Hallen-EM von Turin spannend. Nach zwei äußerst knapp übergetretenen Versuchen rettete er sich mit einem Sicherheitssprung auf 8,03 Meter in den Endkampf. Erst im fünften Versuch drehte der gelernte Bürokaufmann auf, segelte von Position vier aus auf 8,33 Meter und ließ dann noch den neuen Hamburger Rekord von 8,34 Meter folgen. Mit exakt dieser Weite hatte er bereits die Qualifikation am Freitag gewonnen - bei allerdings etwas zu starkem Rückenwind.

Diesmal war alles regulär. "Die ersten beiden Sprünge waren auch sehr weit", sagte Bayer, nachdem er sich auf Rang drei der Weltrangliste katapultiert und das sechste Gold bei dieser EM für Deutschland gewonnen hatte: "Dann ging mir etwas die Flatter im dritten. Ich dachte mir, bloß nicht ungültig machen." Und er behielt die Nerven. "Im Nachhinein kann ich darüber lachen. Aber für den Kopf war es der anstrengendste Wettkampf, den ich je gemacht habe. Es hat sehr viel Energie gekostet, diese Zitterpartie zu überstehen. Jetzt bin ich einfach nur glücklich."

Ausnahmetalent Bayer, in der Vergangenheit viel zu oft von Verletzungen gestoppt, löste endlich das Versprechen ein, das er vor drei Jahren mit einem sensationellen Flug auf 8,71 Meter gegeben hatte. "Das wird keine Eintagsfliege bleiben", kündigte damals der Youngster nach einer Weite, die unter dem Hallendach zuvor nur Leichtathletiklegende Carl Lewis (USA) mit 8,79 Meter überboten hatte. Ein halbes Jahr später legte Bayer dann 8,49 Meter nach.

Doch dann stoppten immer wieder gesundheitliche Probleme seine Entwicklung. Entweder zwickte bei dem Freund der aus Hamburg stammenden Hürdenläuferin Carolin Nytra die Leiste, oder aber der lädierte Sprungfuß ließ keine großen Weiten zu.

Doch in diesem Jahr scheint Bayer endlich seinen Rhythmus wiedergefunden zu haben. Sogar den 32 Jahre alten deutschen Freiluftrekord von Lutz Dombrowski (8,54) traut er sich zu: "Ich glaube nicht, dass ich mein Pulver schon verschossen habe." Und auch bei Olympia in London (27. Juli bis 12. August) will er jetzt unbedingt etwas reißen. "Aber um ganz vorne dabei zu sein, braucht man eine goldene Stunde", sagte Bayer. Wie jetzt in Helsinki.

Titelverteidiger Christian Reif aus Ludwigshafen hatte wegen Verletzungsproblemen auf die EM verzichtet, um seinen Start in London nicht zu gefährden. Vor Bayer hatte am Schlusstag auch die Sprintstaffel der Frauen Gold gewonnen. Das 89-köpfige deutsche EM-Team holte insgesamt sechsmal Gold, sechsmal Silber und viermal Bronze und lag damit im Medaillenspiegel sogar vor Russland (5/4/6), das allerdings längst nicht mit allen Topathleten vertreten war. 2010 in Barcelona hatte es ebenfalls 16-mal Edelmetall gegeben, darunter viermal Gold.

61 Athleten haben nun die Olympianorm erreicht. Der DLV will dem Deutschen Olympischen Sportbund heute die Athleten vorschlagen, die für die Sommerspiele zu nominieren sind. Aus Hamburg sind Bayer und Diskuswerfer Markus Münch (s. links) dabei. Helge Schwarzers Olympiatraum hingegen ist geplatzt. Der Hürdensprinter vom HSV vergab als Vierter des Meetings in Nottwil (Schweiz) in 13,64 und 13,65 Sekunden seine letzte Chance, die Norm (13,49) zu erfüllen.