Der Biathlon-Star erläuterte die Gründe für ihr frühes Karriereende. Es gebe in sportlicher Hinsicht keine Ziele mehr, sagte Neuner am Mittwoch.

Leogang. Als sich Magdalena Neuner erstmals zu ihrem Rücktritt äußerte, strahlten ihre Augen und die Biathlon-Königin setzte ihr freundlichstes Lächeln auf. „Ich freue mich einfach auf die Normalität“, sagte die Doppel-Olympiasiegerin: „Ich kann mit 25 nochmal ein ganz neues Leben beginnen. Einfach mal die Dinge machen, die man vielleicht noch nie machen konnte.“ Einen Tag nach der Ankündigung, ihre Karriere nach dem Weltcupfinale im März 2012 aus privaten Gründen frühzeitig zu beenden, wirkte die Wallgauerin gelöst und unheimlich erleichtert.

„Die letzten beiden Wochen waren schwierig, weil der Entschluss für mich schon feststand“, sagte die Rekordweltmeisterin bei einer Pressekonferenz im österreichischen Leogang zwei Tage vor dem nächsten Weltcup in Hochfilzen.

Hoffnung auf ein Comeback wollte sie zwar nicht machen, schloss einen Rücktritt vom Rücktritt aber nicht gänzlich aus. „Die Chance ist sehr, sehr, sehr, sehr gering und liegt vielleicht bei zwei Prozent“, sagte Neuner. Darüber denke sie jedoch aktuell nicht nach und „freut sich jetzt ganz arg“ auf die Zeit nach der Karriere.

Erneut begründete die Rekordweltmeisterin ihren Rückzug aus dem Leistungssport. „Ich habe alles gewonnen und alles erreicht. Die Entscheidung ist über lange Zeit nach Olympia in Vancouver gereift“, sagte Neuner: „Mir war es wichtig, die Entscheidung meinen Fans zuerst auf meiner Homepage mitzuteilen.“ Mit der Folge, dass es am Dienstag in ihrem Heimatdorf Wallgau drunter und drüber ging. „Ich wurde zum ersten Mal in meinem Leben von Paparazzis verfolgt, das war schon komisch“, sagte Neuner.

Mit einem derartigen Echo auf ihr Karriereende („Das war ein ganz schöner Hype“) habe sie nicht gerechnet. In zehn Mikrofone musste Neuner am Mittwoch erklären, warum sie sich aus dem Biathlon-Zirkus zurückzieht. Die Pressekonferenz wurde sogar live übertragen. „Es ist nicht so, dass ich keinen Bock mehr habe. Ganz im Gegenteil, ich habe unheimlich viel Spaß am Sport“, sagte die zweimalige Gesamtweltcup-Siegerin.

Der Spaß ist aktuell sogar derart groß, dass sie in den letzten Tage ihre Trainingsleistungen ausgerechnet hat. „Ich habe 16 Jahre meines Lebens Sport gemacht, insgesamt 12.500 Stunden. Dabei bin ich 6500-mal aufgestanden und zum Training gefahren“, sagte Neuner: „Ich habe gern verzichtet. Aber jetzt reicht es auch.“

Wie die Zukunft ohne Loipe und Schießstand aussieht, weiß Neuner, die sich nach anstrengenden Jahren zwischenzeitlich ausgebrannt fühlte, noch nicht. „Es gibt viele Angebote, aber ich habe mich noch nicht konkret entschieden. Ich möchte mir erstmal eine Pause gönnen“, sagte die Wallgauerin. Deswegen dürfte nach dem letzten Weltcup des Winters in Chanty-Mansijsk (Russland/16. bis 18. März 2012) vor allem Freund Sepp mehr Aufmerksamkeit bekommen. „Ich freue mich auf die Zeit mit ihm und meiner Familie“, sagte Neuner, die gerade auch ihre C-Trainerlizenz macht. Eigene Kinder seien aber noch kein Thema für sie.

Weniger Freude verbreitet das Karriereende beim Deutschen Skiverband (DSV), denn Bundestrainer Uwe Müssiggang muss in den nächsten Jahren ohne seinen Superstar auskommen. „Wir verlieren mit Lena eine Topathletin, die den Biathleton international geprägt hat. Wir verlieren einen internationalen Superstar“, sagte Müssiggang und ergänzte: „Da wird nicht morgen Ersatz kommen und es ist immer bitter für uns, wenn Topathleten gehen.“

Zwar hatte Neuner in den letzten Wochen mehrfach über einen Rücktritt gesprochen, trotzdem ist sie weiter fokussiert auf Erfolge. „Ich will natürlich weiter gewinnen und die Heim-WM in Ruhpolding im März 2012 ist ein absolutes Highlight“, sagte Neuner. Im Sommer kündigte sie an, bei den Titelkämpfen unweit ihrer Heimat (29. Februar bis 11. März) sechs Medaillen gewinnen zu wollen. Aber selbst wenn das nicht gelingt, dürfte sie glücklich in den frühzeitigen Sportler-Ruhestand gehen.

Zeit nach Gold-Lena: Keine Sorge um Quote und Karriere

Keine Sorge um die Quoten, schon gar keine um den Marktwert: Nach dem angekündigten Rücktritt von Magdalena Neuner sehen Experten weder die erfolgreiche Fernseh-Sportart Biathlon noch den Star selbst in der Versenkung verschwinden. „Die Sportart ist in sich so attraktiv, sie ist nicht von einzelnen Personen abhängig. Die Quoten werden nicht leiden“, sagt ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd.

Gruschwitz muss dabei gar nicht weit in die Vergangenheit blicken, um seine These zu untermauern. „Vor zwei Jahren erst ist Kati Wilhelm zurückgetreten. Das war nicht spürbar“, sagt der 57-Jährige. Biathlon, das sich in den vergangenen Jahren zu einer der wichtigsten TV-Sportarten entwickelt hat, kann mittlerweile auf eine sehr große und vor allem stabile Fangemeinde zurückblicken, sodass auch das Karriereende von einer Ausnahmeathletin wie Neuner kompensiert werden kann.

+++ Die Rücktrittserklärung im Wortlaut +++

Deutsche Erfolge werden allerdings für hohe Quoten weiter wichtig sein. Dass es nach dem Rücktritt eines großen Stars schnell bergab gehen kann, hat das Beispiel Skispringen gezeigt. Nach dem Karriereende von Sven Hannawald sank das Interesse an den deutschen Adlern rapide ab, die Sportart erholt sich dank neuer Talente wie Severin Freund und Richard Freitag nur langsam davon.

Von der Bildfläche wird Neuner auch nach ihrem Rücktritt im kommenden März wohl so schnell nicht verschwinden. Der Schritt könnte ihre Bekanntheit sogar noch steigern. „Ich habe Magdalena Neuners Weg immer mit der Karriere von Steffi Graf verglichen, die ich sehr eng begleitet hatte. Steffi hatte damals auch alles gewonnen, und ihr hat der frühe Rücktritt überhaupt nicht geschadet“, sagt Bernhard Schmittenbecher.

Der Berater von Nationaltorwart Manuel Neuer und Tischtennis-Rekordeuropameister Timo Boll verweist allerdings auch auf die unterschiedlichen Persönlichkeiten: „Steffi ist erst als Mutter, dann als Geschäftsfrau, immer aber als strahlende Persönlichkeit und an wechselnden Aufgaben stetig gewachsen. Sie könnte Magdalena ein leuchtendes Vorbild sein.“

Im Gegensatz zum einstigen Tennisstar dürfte bei Neuner eine Rückkehr nicht ganz auszuschließen sein. Geschichten über Comebacks gibt es im Sport genügend, allerdings verlaufen nur wenige erfolgreich. Michael Schumacher fährt in der Formel 1 hinterher und auch Michael Jordan fand nie wieder zu alter Klasse zurück. Mark Spitz, siebenmaliger Olympiasieger von München, war sogar erst 22 Jahre bei seinem Rücktritt. Als er es mit 41 noch mal versuchte, schluckte er nur die Wellen der Gegner.

Im deutschen Skisport finden sich allerdings auch andere Beispiele. Rosi Mittermaier war zweimalige Olympiasiegerin und Weltmeisterin, als sie im Alter von 25 Jahren ihre Karriere beendete. Noch heute lächelt Gold-Rosi fast jede Woche in die TV-Kameras und ist bekannt wie eh und je. Die Gold-Lena Neuner wird zum Zeitpunkt ihres Rücktritts übrigens auch 25 sein. Mit Material von dpa und dapd