Nach dem knappen 23:22-Erfolg gegen den Handball-Exoten China peilt die DHB-Elf in Brasilien das Achtelfinale an. Mittwoch wartet Island.

Santos. Die Blamage verhindert, dem Achtelfinale einen Schritt näher gekommen. Bei der Handball-WM in Brasilien haben die deutschen Frauen einen Zittersieg gegen China gelandet.In Spiel drei der Vorrunde holte die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) am Dienstag in Santos noch einen Sechs-Tore-Rückstand auf und gewann die Partie gegen den Exoten denkbar knapp mit 23:22 (7:12). In der Schlussminute bewies Nadja Nadgornaja starke Nerven und warf den Siegtreffer für die Deutschen. Es war die erste - und entscheidende - Führung des DHB-Teams.

Beim zweiten Turniersieg waren Katja Langkeit (4) und Franziska Mietzner (4/4) und die beste Werferinnen für das Team von Bundestrainer Heine Jensen, das an diesem Mittwoch (22.30 Uhr/Sport1) auf Island trifft.

Heine Jensen, der Handball-Flüsterer

Bei der WM steht auch Olympia auf dem Spiel

Die deutsche Mannschaft erwischte einen Fehlstart. Nach dem 0:3 (6.) kam das DHB-Team nie näher als bis auf zwei Tore an die Chinesinnen heran, die mit großem Einsatz dem EM-13. den Schneid abkauften. Selbst frei stehend verwarfen die deutschen Spielerinnen beste Chancen und leisteten einfache Fehler am laufenden Band.

Den 5:11-Rückstand (28.) konnte die DHB-Auswahl bis zum 7:12 zur Pause nur minimal verkürzen. Nach Wiederanpfiff blieb das deutsche Spiel wechselhaft. Doch mit großem Kampf kam das DHB-Team zum 20:20 (56.) und dann zum glücklichen Sieg.

Im deutschen Angriff läuft gar nichts rund

Nadja Nadgornaja konnte sich irgendwie gar nicht so richtig freuen. Vor wenigen Minuten hatte die Rückraumspielerin des deutschen Meisters Thüringer HC bei der Handball-WM in Brasilien das entscheidende Tor zum 23:22 gegen China erzielt, doch der Frust saß dennoch tief. „Es ist schwer, Worte für das zu finden, was hier passiert ist“, sagte die 23-Jährige: „Mit dieser Leistung gewinnen wir gar nichts.“

Mit 4:2 Punkten aus drei Spielen ist Deutschland zwar auf klarem Kurs Richtung Achtelfinale, doch was das Team von Bundestrainer Heine Jensen gegen China aufs Parkett brachte, war indiskutabel. Als Nadgornaja 31 Sekunden vor Spielende mit einem platzierten Kracher ins rechte obere Eck des chinesischen Tores das erlösende 23:22 warf, war das zugleich die erste deutsche Führung im gesamten Spielverlauf.

Der deutsche Frauenhandball ist grundsätzlich nichts für schwache Nerven, aber dass sich die Mannschaft nach dem grandiosen Auftaktsieg gegen Norwegen und der knappen Niederlage gegen WM-Geheimfavorit Montenegro gegen einen vermeintlichen Außenseiter so blamiert, war nicht zu erwarten. Nach 60 desolaten Minuten gegen China gibt es auf dem Weg ins Achtelfinale (zu) viele Fragezeichen. War die Defensive trotz einiger Aussetzer noch einigermaßen im Bilde, so präsentierte man sich am gegnerischen Kreis ideenlos, planlos, ratlos. Einzig Franziska Mietzner, die unermüdlich vom Siebenmeterpunkt traf, bewahrte Deutschland immer wieder vor einem unaufholbaren Rückstand.

Die Offensive ist und bleibt das Sorgenkind von Heine Jensen. „Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss“, pflegte der Bundestrainer schon während seiner Amtszeit beim Bundesligisten HC Leipzig gerne zu sagen - bei der WM könnten die Hürden mit diesem Credo schnell zu hoch werden. Fehlpässe und Fehlwürfe, mehr hatte das Team um Spielführerin Isabell Klein gegen China nicht zu bieten. 32 (!) Angriffe endeten ohne Torerfolg, eine desaströse Quote.

Eine Steigerung ist notwendig, denn sollte Deutschland nicht als Gruppenerster oder -zweiter das Achtelfinale erreichen, droht schon im Achtelfinale ein Duell mit dem großen Favoriten Russland. „So weit denken wir noch nicht“, sagt Jensen, getreu dem alten Sportlermotto: Das nächste Spiel ist das Wichtigste.

Um das Ziel zu erreichen und sich einen Platz in einem Qualifikationsturnier für Olympia 2012 in London zu sichern, müssen sich Jensen und sein Team in den verbleibenden Gruppenspielen gegen Island und Angola einiges einfallen lassen. Ein siebter Platz bei der WM muss auf jeden Fall am Ende herausspringen, ansonsten findet Olympia ohne die deutschen Handballerinnen statt.

Nicht nur Nadja Nadgornaja weiß, dass „wir keine Chance haben, wenn wir so weitermachen“. Eine Leistung wie die gegen China „ist nicht unser Anspruch“. Das versichert auch der Bundestrainer: „Man wird bei der WM noch eine ganz andere deutsche Mannschaft erleben.“ Die Zeit drängt.