Der Schweizer Champion hegt auch mit 30 Jahren keinen Gedanken ans Aufhören

London. Den wichtigsten Satz sagte Roger Federer eher beiläufig. "Die Lust, an der Spitze mitzumischen, die ist ungebrochen", erklärte der 30 Jahre alte Tennisprofi aus der Schweiz nach seinem sechsten Triumph beim ATP-Tour-Finale, der früheren Weltmeisterschaft, in London. Federer hat nicht erst mit seinem 6:3, 6:7, 6:3-Erfolg im Endspiel gegen den 26 Jahre alten Franzosen Jo-Wilfried Tsonga alle Kritiker überzeugt. Der Schweizer erscheint mit nunmehr 70 Turniersiegen in 100 Endspielen fitter, drahtiger, besser austrainiert als zu Beginn seiner Weltkarriere, und er hat immer noch den Zugriff auf die großen Titel. "Ich mache mir keine Gedanken über das Aufhören", beruhigt er seine Fans. Im Gegenteil: "Ich denke weit über die nächste Saison hinaus."

Federers Sieg beim Bestentreffen in London war kein glorreicher Tennismoment. Aber er war auch keine Bagatelle für einen Menschen, dessen Widerstandskraft und Unbeugsamkeit jenseits der Dreißig schlichtweg phänomenal ist. Er hat an seinem Spiel gearbeitet, um auf Augenhöhe mit den unbarmherzig nachrückenden Herausforderern zu bleiben. Erst mit Nadal, jetzt auch mit Djokovic. Federer wusste, dass seine Zeit als Alleinherrscher des Tenniszirkus nur ein kurzes, rauschhaftes Intermezzo bleiben würde. "Die Illusion, ständig vorne bleiben und die wichtigsten Titel holen zu können, hatten andere - ich nicht", sagt Federer. Er habe gelernt, mit Niederlagen umzugehen: "Ich blicke lieber nach vorne."

Man darf Federer abnehmen, dass es ihn nach so vielen Jahren Frontarbeit nicht mehr sonderlich interessiert, ob er nun die Nummer drei (seit gestern wieder) oder vier in der Hackordnung ist. Wichtiger sind ihm die großen Trophäen und einige unerledigte Rechnungen. Dazu zählen olympisches Gold und der Gewinn des Daviscups mit seinen Schweizer Tennisfreunden. "Für ein paar nette Ziele lohnt es sich zu kämpfen", sagt Federer, der das nur schafft, weil er seinem perfekt austrainierten Körper rückhaltlos vertrauen kann.

Sechs Siege in Wimbledon, fünf bei den US Open, vier bei den Australian Open, ein Erfolg bei den French Open, dazu sechs Weltmeister-Titel - so reichlich beschenkt in elf ernsthaften Profijahren, verabschiedet sich Federer nun in den kurzen Familienurlaub. Die Mitbewerber wissen: Er will nicht mehr der Dominator sein. Aber einer, der jederzeit um die ganz großen Titel mitspielen kann.