Vor 20 Jahren offenbarte Basketball-Superstar Earvin “Magic“ Johnson seine HIV-Infektion. Seither widmet er sich dem Kampf gegen die Krankheit

Berlin. Pat Riley, 66, kann sich noch sehr gut an jenen Tag erinnern, als die Stille in der Spielerkabine ihm so dröhnend schien wie nie zuvor in einem Jahrzehnt als Basketballtrainer. Es war der Tag, als er seinen Spielern in New York mitteilte, der beste Spieler der nordamerikanischen Profiliga NBA sei HIV-positiv: Earvin Johnson, Star der Los Angeles Lakers. "Sie waren wie benebelt", erzählte Riley, der den Aufbauspieler Johnson in L.A. zehn Jahre lang trainiert hatte, der "New York Times": "Er tat mir so leid."

Dieser 7. November 1991 ging in die Geschichte nicht nur des amerikanischen Sports ein, sondern der ganzen Nation. Manche vergleichen ihn heute mit dem 11. September 2001, wiewohl die Tragweite in der Rückschau unverhältnismäßig gering scheint: Johnson lebt, und es geht ihm gut, auch 20 Jahre nachdem er seine Krankheit auf einer live im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz öffentlich machte und vor Millionen fassungslosen Landsleuten zurücktrat.

Sie hatten den lächelnden Riesen ja für eine fromme Ausnahme gehalten im Sündenpfuhl NBA, wo in den 90er-Jahren rein rechnerisch jeder der rund 300 Profis ein uneheliches Kind hatte ("Spiegel") und Groupies in den Katakomben zuhauf auf Abenteuer mit den lüsternen, ballwerfenden Millionären lauerten.

In seiner Biografie "My Life" ("Mein Leben") schildert der fünfmalige NBA-Champion in einer Anekdote, wie ein Basketballprofi sich mit einer Frau einließ und ihr als Gegenleistung für eine weitere gemeinsame Nacht ein Paar signierter Schuhe mitbringen sollte. Der anonyme Kollege fiel dann aus allen Wolken, als er im Schrank der Schönen schon etwa 100 Paar signierter Schuhpaare erblickte. Ob wahr oder übertrieben - auch "Magic" Johnson infizierte sich mit der Immunschwächekrankheit bei einer seiner Affären, deren Zahl er auf mehr als 1000 (!) bezifferte. Seiner Frau die Krankheit zu offenbaren sei die härteste Prüfung seines Lebens gewesen, erzählte er kürzlich.

HIV-positiv, das verhieß damals nur noch geringe Lebenserwartung. Auch Johnson-Intimus Riley sagt: "Wir dachten alle: Das ist sein Todesurteil." Doch Aids ist bei dem 2,05-Meter-Hünen nie ausgebrochen, "die Medikamente, Gott und ich selbst haben ihren Teil dazu beigetragen". Auf seiner Pressekonferenz rief "Magic" Johnson: "Ich plane, noch für lange Zeit zu leben", und bei diesem Satz huschte ein beinahe schelmisches Lächeln über sein breites Gesicht. An diesem Tag wurde der dreimalige Most Valuable Player ("Wertvollster Spieler der Saison") auch zum weltweit wohl bekanntesten Betroffenen einer Krankheit, die in der Folge seines Geständnisses viel von ihrem Stigma als Seuche der Schwulen und Drogenabhängigen einbüßte. Johnsons Botschaft lautet: "Es kann jedem passieren." Noch im selben Jahr gründete er eine nach ihm benannte Stiftung, die unter anderem die Aufklärung und Gesundheitserziehung von Jugendlichen in Städten forciert.

Natürlich hat der Multimillionär Johnson in seinem Leben davon profitiert, Zugang zu den besten Ärzten, den wirksamsten Medikamenten zu bekommen. Doch letztlich ist der Krankheitsverlauf bei Infizierten sehr individuell - und damit ebenso die Beeinträchtigung für das alltägliche Leben.

Fakt ist, dass das arglistige HI-Virus, das sich rasch an Medikamente gewöhnt, das resistent werden und Organschäden als Folge nach sich ziehen kann, heute besser unter Kontrolle zu halten ist als noch vor 20 Jahren. Wo ein Betroffener damals 20 bis 40 Pillen zu sich nahm, ist es heute mitunter nur noch eine.

Am Montag gab Johnson im Staples Center von Los Angeles, der Spielstätte der Lakers, erneut eine Pressekonferenz. Diesmal, um neue Initiativen seiner Stiftung vorzustellen und seine Mission weiterzuführen: das Bewusstsein für HIV und Aids weiter zu erhöhen. Dass er am 7. November 1991 an selber Stelle seinen Rücktritt erklärte, bereut er inzwischen: "Hätte ich gewusst, was ich heute weiß, hätte ich nicht aufgehört. Aber du musst mit dem fertig werden, was passiert ist."

Immerhin kehrte Johnson im Grunde noch zweimal zurück, wiewohl Anfeindungen aus dem Kreis von Basketballspielern ihm zusetzten: Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona holte er mit dem US-"Dream Team" Gold. Die öffentlich geäußerten Bedenken seiner Kollegen veranlassten ihn anschließend dazu, von einem Comeback in der NBA abzusehen. Erst 1996, inzwischen 36-jährig, spielte er noch 32-mal für die Lakers. Dann trat er endgültig zurück. "Zu meinen Bedingungen", wie er sagte. Davon habe bei seinem abgebrochenen Comeback 1992 keine Rede sein können.

Kürzlich ist Earvin "Magic" Johnson Großvater geworden. Mit 52 Jahren genießt er sein Leben.