Turnen hilft Kindern gegen Bewegungsmangel und Fettleibigkeit. Hamburger Vereine bieten vielfältige Kurse für den jüngsten Nachwuchs an.

Hamburg. Lust zum Sport hat Maximilian Konstantin vorher selten. Lieber, sagt der Fünfjährige, würde er mit seinen Freunden spielen, Eis essen gehen, im Internet surfen oder auch im iPhone des Vaters Bilder und Videos anschauen. Kehrt er jedoch von der einstündigen Sportstunde in seinem Verein, dem Eimsbütteler Turnverband (ETV), zurück, berichtet er begeistert vom Klettern, Laufen, Springen und Hüpfen. "Das war toll", sagt er dann, und seine blauen Augen strahlen.

Es bedarf manchmal ein wenig elterlichen Zwangs, um Kinder zur sportlichen Bewegung zu begeistern. Der sanfte Druck zahlt sich schnell aus. Nach kurzer Zeit hat Max alle Alternativen vergessen und will nur noch eins, was Erwachsene wohl als "auspowern" beschreiben würde. Der Schweiß rinnt ihm alsbald ins Gesicht, seine Wangen glänzen rot. Max fühlt sich pudelwohl.

Dass Kinder in Deutschland mehr Bewegung brauchen, ist unter Pädagogen und Medizinern unumstritten. 36 Hamburger Vereine stellen deshalb am 6. November, dem Kinderturnsonntag, von 10 bis 13 Uhr ihre Programme für Ein- bis Siebenjährige kostenlos vor (Adressen siehe rechts). Geschulte Trainer und Übungsleiter stehen Eltern und Großeltern Rede und Antwort.

Wer im Kindesalter übergewichtig ist, wird die Pfunde meistens nicht mehr los. Frühkindlicher Bewegungsmangel ist eine der häufigsten Ursachen für Zivilisationskrankheiten wie Herz- und Kreislaufstörungen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Darmkrebs, deren Behandlung das deutsche Gesundheitssystem zweistellige Milliarden-Euro-Beträge kostet.

Diese 36 Vereine öffnen ihre Hallen für den Kinderturnsonntag

"Einst sind die Kinder vor die Haustür gegangen, haben draußen mit ihren Freunden gespielt, bis es dunkel wurde. Das gibt es heute vor allem in größeren Städten kaum noch", sagt der Hamburger Kinderarzt Thomas Noss. Umso wichtiger sei es, die vielfältigen Sportangebote der Vereine bereits im frühen Kindesalter wahrzunehmen. Adipositas, Fettleibigkeit, so Noss, habe besonders in den vergangenen zwei Jahren zugenommen - auch weil viele Eltern keine Bewegungsvorbilder für ihre Kinder sind. Der Nachwuchs aber braucht diese Vorturner. Untersuchungen haben ergeben, sind Eltern und Lehrer sportlich aktiv, kommen auch ihre Sprösslinge schneller auf die Beine.

Die motorischen Fähigkeiten, hat Noss beobachtet, seien dagegen nicht schlechter geworden, die feinmotorischen, die Fingerfertigkeiten, sogar besser. Das habe (leider) mit dem Umgang mit Computern und Handys zu tun. Grobmotorisch habe er kaum Veränderungen feststellen können, die Zahl der Therapien für Kinder habe dennoch explosionsartig zugenommen. "Sicherlich ist das Bewusstsein gestiegen, gerade mit den Ergebnissen der PISA-Studien, dass unseren Kindern jedwede Förderung zukommen sollte", sagt Noss, "aber viele therapeutische Anwendungen sind unnötig. Sport im Verein, mit Freunden, tut es auch. Meistens ist das besser und kindgerechter."

Klaus Euteneuer-Treptow vom Hamburger Verband für Turnen und Freizeit (VTF) ist einer der Initiatoren des Kinderturnsonntags. Das Kinderturnen, sagt er, werde heute in den Klubs von gut ausgebildeten Trainern angeleitet, denen die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit am Herzen liege. Diese Trainer, so Euteneuer-Treptow, geben dem Nachwuchs nicht nur Gelegenheit, eine vielfältige Bewegungswelt zu entdecken, sie fördern die Kinder auch darin, sich selbst wertzuschätzen, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entfalten, ausdauernd Ziele zu verfolgen und mit anderen Kindern zu kooperieren. "Kinderturnen heißt: Stärkung der Ressourcen von Kindern. Eine solche Stärkung der eigenen Fähigkeiten hilft, die täglichen Herausforderungen besser zu meistern."