Deutschlands beste Weitspringer stimmten sich auf das Olympiajahr ein. Der Lehrgang sollte auch für Leichtathletikstandort werben.

Hamburg. Doch, im Hamburger Stadtpark kann man wirklich einen Berglauf machen. Uwe Florczak hat es den Halleneuropameister Sebastian Bayer gestern Vormittag am eigenen Leib erfahren lassen. Es war der letzte Programmpunkt des dreitägigen Auftaktlehrgangs, zu dem Männer-Bundestrainer Florczak den gesamten deutschen Weitsprungkader nach Hamburg geladen hatte. Und auch wenn die meisten der insgesamt neun Athleten wegen der weiten Anreise nicht am Berglauf teilnehmen konnten, so sei es doch insgesamt ein großer Erfolg gewesen, wie Florczak berichtet: "Die Stimmung war sehr gut, alle haben sich gut auf das olympische Jahr 2012 eingestimmt." Er habe mit jedem Einzelnen ein ausgiebiges Gespräch geführt. Eine sportmedizinische Untersuchung beim Hamburger Professor Klaus-Michael Braumann stand auch auf der Tagesordnung.

Es war das erste Mal, dass die Stadt eine derartige Bundeskadermaßnahme erlebt hat. Für Frank Thaleiser, den Geschäftsführer des Hamburger Leichtathletik-Verbands, ist das durchaus mehr als nur eine Fußnote in der 100-jährigen HLV-Geschichte: "Solche Gelegenheiten sind wichtig, um Spitzenathleten die Vorzüge dieses Standorts vor Augen zu führen." Am Sonnabendabend nahm sich Wolfgang Timm dieser Aufgabe an. Der Vorsitzende des Breitensportausschusses führte die Gruppe um seinen HSV-Vereinskollegen Bayer und Freilufteuropameister Christian Reif (Ludwigshafen) durch Speicherstadt und HafenCity.

Die Zeiten, da sich Hamburg vor der Leichtathletikszene verstecken musste, scheinen überwunden zu sein. Bereits vor fünf Jahren entstand in Winterhude eine hochmoderne Trainingshalle. Seit Florczak, 50, vor drei Jahren seinen Wohnsitz von Paderborn hierher verlegt hat, ist der Aufschwung auch in Zeiten messbar, vor allem aber in Weiten.

***Bayer springt zwölf Zentimeter an einer Medaille vorbei***

Allein seiner privaten Trainingsgruppe haben sich fünf Spitzenkräfte des deutschen Weitsprungs angeschlossen: Mario Kral (Bestweite 7,99 Meter), Anika Leipold (6,67), Nadja Käther (6,66), Sinje Florczak (6,46), alle vom Hamburger SV, sowie der Buxtehuder Nils Winter (8,22). Hinzu kommt Bayer, der mit 8,71 Metern den Halleneuroparekord hält und mit 8,49 Metern den deutschen Freiluftrekord vor zwei Jahren nur um fünf Zentimeter verfehlte.

"Wir haben die stärkste Gruppe in Deutschland", sagt Florczak. Vor allem Kral und seiner Tochter Sinje traut er 2012 weitere Karrieresprünge zu. Was seine Arbeitsbedingungen betrifft, sieht er die Entwicklung an einer Grenze angelangt. Es fehle an der nötigen finanziellen Unterstützung. Bis zu 4000 Euro müssten seine Athleten aus eigener Tasche berappen, um an den drei zentralen Trainingslagern im südafrikanischen Stellenbosch (28. Dezember bis 13. Januar, 17. März bis 7. April) und auf Teneriffa (23. April bis 6. Mai) teilnehmen zu können. "Das kann ich von ihnen eigentlich gar nicht verlangen."

Die Einheiten freilich seien im Hinblick auf die Jahreshöhepunkte unverzichtbar. 8,20 und 6,75 Meter sind für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen (27. Juli bis 12. August) gefordert. Und anders als im WM-Jahr 2011 rückt man mit der B-Norm von 8,10 beziehungsweise 6,67 Metern nur dann nach, wenn kein nationaler Konkurrent die A-Norm erfüllt hat. In Bayers Fall etwa heißt das: Er müsste schon den zweitbesten Freiluftsprung seiner Karriere landen, um in London dabei zu sein. Da ist Maßarbeit gefragt.

Für die Europameisterschaften (27. Juni bis 1. Juli in Helsinki), die nach dem Umschalten in den Zweijahresturnus erstmals im Olympiajahr stattfinden, liegen die Anforderungen mit 8,00 und 6,65 Metern eher in Reichweite. Die Athleten aber, denen zu diesem Zeitpunkt bereits die Olympiateilnahme sicher ist, werden die EM als besseres Sportfest in ihre Saisonplanung einbauen. "Eine spezifische Vorbereitung auf zwei Großereignisse ist unmöglich", stellt Florczak klar. Seine Top-Springer Bayer und Reif werden angesichts der Ereignisfülle auch auf die Hallen-WM im März in Istanbul verzichten.

Ende Mai könnten sich die Athleten in Hamburg wieder treffen. Dann will der HLV ein nationales Sprung- und Sprintmeeting im Hammer Park veranstalten. Landestrainer Klaus Jakobs hat für diesen Termin die besten Kurzstreckler des Landes nach Hamburg eingeladen. Auch diese Maßnahme ist Teil der Gesamtstrategie, der Stadt im Verbund mit Schleswig-Holstein den Status des Bundesleistungsstützpunkts zu sichern. Ein entsprechender Antrag ist gestellt. Der Deutsche Olympische Sportbund fordert freilich, dass im Gegenzug ein bestehender Stützpunkt aufgegeben werden müsste.

Zusätzliche Gelder würde der Titel ohnehin nicht einspielen. In diesem Bereich aber sei dringend nachzubessern, fordert Florczak. Hamburgs missliche Finanzlage ist offenbar auch anderen Standorten nicht verborgen geblieben. Erste Abwerbeversuche sollen bereits unternommen worden sein.