Die niederländische Nationalspielerin verkörpert Weltklasse. Die 29-Jährige soll das VT Aurubis im Volleyball an die Bundesliga-Spitze führen.

Hamburg. Jean-Pierre Staelens, 55, macht gewöhnlich ein ernstes Gesicht, wenn er über Volleyball redet. Der Trainer des VT Aurubis weiß um die Schwere seiner Aufgabe in Hamburg, um die Ansprüche des Sponsors und Namensgebers, der in den nächsten Jahren nationale Titel und internationale Ehren erwartet. Er redet dann gern von der starken Konkurrenz in der Bundesliga, die noch mehr Geld und noch bessere Spielerinnen hat. Erst wenn das Gespräch auf seine Tochter Kim kommt, entspannt sich seine Mimik. "Sie ist es, die den Unterschied ausmachen kann", sagt der Vater, und ein bisschen Stolz schwingt in seiner Stimme mit. "Seit Kim bei uns ist, trainieren wir auf einem ganz anderen Niveau."

Vor zehn Tagen traf Kim Staelens in Hamburg ein. Das Prädikat Weltklasse fällt bei ihrem Namen sofort, ihre Fähigkeiten als Zuspielerin sind legendär, auch wenn ihre letzten großen Auftritte auf dem Volleyballfeld schon zwei Jahre zurückliegen. Denn im September 2010 wurde sie zum ersten Mal Mutter. Zwölf Tage nach der Geburt trainierte sie wieder, sechs Wochen danach spielte sie bei der WM in Japan für die Niederlande.

Bei der Europameisterschaft in Serbien und Italien hatte Kim Staelens nach einem arthroskopischen Eingriff im linken Knie noch nicht spielen können. Aber jetzt fühlt sie sich wieder fit. "Ja, ja, das linke Knie, das ist irgendwie meine Schwachstelle", sagt sie. Nach einer schweren Verletzung drohte ihr vor acht Jahren sogar das Karriereende. Damals wurde sie mit dem USC Münster Meister und Pokalsieger. Am Sonntag kehrt sie in die dortige Halle Berg Fidel zurück. Münster ist der erste Gegner in dieser Saison, vielleicht auch der schwerste. Am Mittwoch, 20 Uhr, steht in der alten Spielhalle am Neumoorstück gegen den 1. VC Wiesbaden das erste Heimspiel an. Anfang Dezember zieht das Team in die neue CU-Arena direkt am S-Bahnhof Neugraben um.

Zuspielerinnen sind die Schaltzentralen eines Volleyballteams, ihre Spielmacher. Jeder Angriff läuft über sie, von ihrem Fingerspitzengefühl hängt es ab, wie die Angreiferinnen den Ball ins gegnerische Feld schlagen können, gegen die Spielerinnen im Block auf der anderen Seite des 2,24 Meter hohen Netzes. "Die hohe Kunst des Zuspiels ist es, meine Mitspielerinnen möglichst so einzusetzen, dass sie freie Schussbahn haben", sagt Staelens. Ein gutes Auge, die Wahrnehmung der gegnerischen Aktivitäten und eine perfekte Technik gehören zu ihrem Handwerkszeug.

Kim Staelens' Technik ist perfekt. Sie pritscht die Bälle schnell und präzise, manchmal ein wenig zu schnell für die neuen Kolleginnen. Sie müssen sich an das erhöhte Tempo gewönnen. Das ist normal. "Ich habe Kim gebeten, dass sie in den ersten Wochen etwas langsamer spielen soll, damit das Timing klappt", sagt Jean-Pierre Staelens.

Der Vater trainiert das erste Mal eine seiner zwei Töchter. Chaine, 31, ist ebenfalls eine Weltklasse-Volleyballerin. "Beim Volleyball kennen wir beide keine Verwandten", sagt Kim Staelens, "aber nach dem Training sind wir wieder eine Familie." Zu der gehören in Hamburg Mutter Ina und Kims 13 Monate alte Tochter Lynn, um die sich zu Hause alles dreht. "Ich habe mich schnell eingewöhnt", sagt Kim Staelens. Die Mannschaft habe "das Potenzial, große Ziele anzugreifen". Nur: Wie soll sie ihren Vater anreden? "Gewöhnlich sage ich 'Pap' zu ihm, jetzt sage ich wie alle anderen 'JP'."

Die kolumbianische Mittelblockerin Cindy Maria Ramirez, 22, trifft am Sonnabend gegen 19 Uhr als letzte neue Aurubis-Spielerin in Hamburg ein. Weil sie vor drei Wochen an Windpocken erkrankt war, muss sie sich noch einem Bluttest unterziehen.