Deutsche Volleyballerinnen verlieren Finale der Europameisterschaft gegen Serbien nach klarer Führung mit 2:3-Sätzen

Belgrad. Im ersten Moment flossen Tränen, aber irgendwann in dieser langen Nacht verflog im River-Nachtklub von Belgrad bei Pizza und Rotwein der Frust der deutschen Volleyballerinnen über ihren verpassten Triumph bei der Europameisterschaft. Gastgeber Serbien schien im Endspiel so gut wie besiegt. Mit 2:1 Sätzen und im vierten Durchgang mit 6:0, 10:4 und 18:15 führten die Deutschen schon und verloren schließlich das Spiel noch mit 2:3 (25:16, 20:25, 25:19, 20:25, 9:15). In der Gruppenphase war ihnen ein 3:1-Erfolg über die Serbinnen gelungen, der auch diesmal leicht möglich war. "Wenn jetzt einige meinen, dass die Finalniederlage eine Katastrophe ist, liegen sie völlig falsch. Der zweite Platz ist Wahnsinn bei der Konkurrenz. Das ist die beste Leistung einer gesamtdeutschen Mannschaft", sagte Werner von Moltke, 75, der Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV). Ganz vergessen konnten die Frauen ihren finalen Einbruch allerdings nicht. Den EM-Titel vor Augen zeigte das Team plötzlich Nerven. Nichts lief mehr, Serbien machte im vierten Durchgang auf diesem Niveau unfassbare neun Punkte in Folge und schaffte den 2:2-Satzausgleich. "Das war der entscheidende Moment", sagte Bundestrainer Giovanni Guidetti. Der Rest war Formsache. 8500 begeisterte Zuschauer, unter ihnen der Tennisweltranglistenerste Novak Djokovic, feierten ihre Mannschaft.

24 Jahre nach dem letzten EM-Sieg der DDR fehlte der deutschen Auswahl nach einem überragenden Turnier mit zuvor fünf Siegen, zuletzt ein überraschend souveränes 3:0 im Halbfinale gegen Titelverteidiger Italien, das nötige Quäntchen Courage für die ganz große Überraschung. Bezeichnend: Beim Stand von 9:14 im Tiebreak rutschte Anne Matthes beim Aufschlag aus, traf den Ball nicht. Serbien war Europameister, Matthes brach schluchzend auf dem Spielfeld zusammen. "Natürlich wäre es zu schön gewesen, Gold zu gewinnen. Wir haben vielleicht zu viel gewollt. Aber übermorgen werden wir sehr, sehr stolz sein", sagte Hauptangreiferin Angelina Grün. Und Margareta Kozuch, die Spielführerin aus Hamburg, meinte: "Ich bin sehr stolz auf mein Team, über die Silbermedaille und ein insgesamt fantastisches Turnier. Es war sicherlich mehr möglich, und das ist höchst ärgerlich, aber es gibt auch ein nächstes Mal."

Guidetti war ebenfalls hingerissen von seiner Mannschaft. "Dank an die Mädels! Ich muss ihnen für diese Leidenschaft danken. Ich bin total stolz. Diese Mädels trainieren zu dürfen ist einfach wunderbar", sagte der Italiener. Guidettis Hingabe hatte aber Grenzen: "Die Mädels haben probiert, meine blonden Haare zu färben. Aber ich habe gut gekämpft - und gewonnen."

Neben der silbernen EM-Plakette sicherte sich das deutsche Team die Teilnahme am ersten Olympiaqualifikationsturnier vom 4. bis 18. November in Japan. Dort kämpfen zwölf Mannschaften um drei Tickets für London 2012. Qualifizieren sich die Deutschen dort nicht, werden sie wahrscheinlich zwei weitere Chancen erhalten, sich zu den Sommerspielen zu schmettern. Es wäre die Gelegenheit, sich aus dem Schatten der in London nicht vertretenen Basketballer oder Fußballerinnen zu spielen. Und die Volleyballerinnen haben mit ihrer Silbermedaille zudem ihre Chance genutzt, es den bei der EM auf den vorletzten Platz gelandeten Männern zu zeigen. "Das war die richtige Antwort auf die Männer. Die Mädels haben Schwung, Wollen, Willen, Teamgeist und Euphorie gezeigt", sagte von Moltke und zahlte die Zeche für die Feier aus eigener Tasche: "Ich werde einen Brief an das Männernationalteam schreiben, damit sie von den Tugenden der Frauen etwas mitnehmen."

Überragende deutsche Spielerinnen waren nach dreieinhalb Jahren Nationalmannschaftspause Rückkehrerin Angelina Grün, 31, Margareta Kozuch, 24, die als beste Angreiferin der EM ausgezeichnet wurde, und Christiane Fürst, 26, beste Blockspielerin der EM. "Wir kennen uns fast alle seit 2006 und sind als Frauen und Team gereift. Wir sind Freundinnen, so was gibt es sonst nie. Der Teamgeist ist einmalig, wir haben alle unseren Spaß", sagte Mittelblockerin Corinna Ssuschke-Voigt, 28. In zwei Jahren, das haben sich die deutschen Volleyballerinnen in der Nacht nach dem Finale versprochen, wollen sie das in Belgrad Versäumte bei der Heim-EM nachholen. Ssuschke-Voigt: "Dann sind die Zuschauer auf unserer Seite, und das macht dann den einen oder anderen Punkt mehr aus."