Der FC Bayern München macht mit dem 2:0 in Villareal ein erstes „Schrittchen“ auf dem Weg zum Heimfinale – Gomez' Verletzung verschärft den Stürmermangel

Villarreal. Um 00.45 Uhr verlor Karl-Heinz Rummenigge im noblen Hotel „Westin“ inmitten von Valencia mal kurzzeitig den Überblick. „Wir haben jetzt acht Spiele in Folge gewonnen, 21:0 Tore, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen“, sagte Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender, als er beim Mitternachtsbankett nach dem 2:0 (1:0) zum Auftakt der Champions-League-Gruppenphase beim FC Villarreal zur Lobeshymne angesetzt hatte. Dass der erfolgreiche Einstand auf Europas Fußballbühne erst der siebte Pflichtspiel-Sieg in Folge war, konnte man bei andalusischem Gazpacho, Paella Valenciana und ein Paar Gläsern Rioja aber auch schon mal verwechseln. So oder so: Nach der Eroberung der Tabellenführung in Gruppe A starten die Bayern die heißen „Wiesn“-Wochen im Siegesrausch, mit viel Selbstvertrauen, aber nach dem Ausfall von Torgarant Mario Gomez auch mit einer Sorge mehr.

Hinten steht zum siebten Mal in Folge die Null, vorne treffen die „Baller“-Bayern auch bei der ersten Nagelprobe der Saison: „Die Entwicklung der Mannschaft ist sehr erfreulich, fantastisch. Das gibt Selbstvertrauen und Stabilität“, schwärmte Sportdirektor Christian Nerlinger, Rummenigge sprach von einem „wunderbaren Start. Wir sind von Anfang an ganz oben, das lässt hoffen“. Zumindest in der lauen spanischen Sommernacht wollte im Freudentaumel noch niemand an den „Worst Case“ denken, der bei einem Ausfall von Gomez beim Gastspiel am Sonntag auf Schalke eintreten könnte.

„Ich war wieder voll im Saft, es ist bitter, dass dann sowas kommt“, sagte zumindest der geknickte Torschützenkönig der Vorsaison, den Adduktorenprobleme in der Halbzeit zur Auswechslung gezwungen hatten. Als „nichts Ernsthaftes“ bezeichnete zwar Nerlinger die erneute Verletzung des 26-Jährigen, eine Prognose wagte aber niemand. Nils Petersen, der bei seinem Champions-League-Debüt engagiert, aber glücklos spielte, wäre bei einem Ausfall von Gomez der einzige gelernte Stürmer im Millionen-Kader der Bayern. Der Verlust von Gomez würde angesichts von bereits acht Liga-Treffern und des wohl erneuten Ausfalls von Arjen Robben ohnehin besonders schwer wiegen. Auch Daniel van Buyten (Achillessehne) wird wohl fehlen.

Wohl auch deshalb appellierte Rummenigge trotz des achten Auftaktsiegs in der Königsklasse in Folge erneut an die Bescheidenheit. „Wir tun gut daran, den Ball flachzuhalten“, mahnte der 55-Jährige: „Denn es geht weiter, und die Schlagzahl bleibt hoch“. Bastian Schweinsteiger dachte sogar schon einen Schritt weiter. „Es ist wichtig, dass wir die drei Punkte haben. Aber noch wichtiger wäre es, das nächste Spiel gegen Manchester zu gewinnen“, sagte Bayerns Vize-Kapitän. In zwei Wochen trifft die Mannschaft von Jupp Heynckes zuhause auf den vermeintlichen Gruppenfavoriten, der zum Auftakt nur 1:1 gegen den SSC Neapel spielte. Ein Sieg würde den „guten Start“ laut Schweinsteiger zu einem „sehr guten Start“ werden lassen.

Manuel Neuer zählt inzwischen 668 Minuten ohne Gegentor, sorgte bei seinem internationalen Debüt für die Bayern aber für einen ganz anderen Rekord. Zum ersten Mal bekam er in einer Pflichtspiel-Halbzeit nur zwei Bälle aufs Tor. „Wir hätten schon mit ein bisschen mehr Gegenwehr gerechnet“, sagte er schmunzelnd, fügt aber an: „Das erste Tor wird kommen, aber wir wollen es so lange wie möglich heraus zögern.“

Gegen die weitgehend harmlose Mannschaft von Trainer Juan Carlos Garrido reichten die ersten Saisontreffer von Toni Kroos (7., „wurde auch Zeit“) und Rafinha (76.), um das 150. Champions-League-Spiel siegreich zu gestalten. Eine Standortbestimmung wollte ob der dürftigen Leistung, die der Europa-League-Halbfinalist des Vorjahres bot, niemand abgeben. „Wo wir international stehen, kann man nach einem Spiel nicht sagen“, sagte Schweinsteiger noch recht schmeichelhaft.

Ziele formulieren die Bayern lieber weiterhin kurzfristig, auch wenn Rummenigge für einen Moment ins Träumen geriet. „Ich hoffe, die Reise wird lang. Und dass das, wovon wir träumen, auch Wirklichkeit wird“. Auch Torschütze Kroos bewertete den Sieg als „erstes kleines Schrittchen“ auf dem Weg ins Heimfinale am 19. Mai 2012. Manuel Neuer wollte davon gar nichts wissen: „Das war ein erster Schritt zum Überstehen der Gruppenphase“, sagte er nüchtern, und blickte lieber auf sein ganz persönliches emotionales Duell am Sonntag mit Ex-Verein Schalke 04. „Ich rechne nicht damit, dass ich dort so herzlich empfangen werde wie mit der Nationalmannschaft“, gab er zu. Das ist aber nur noch mehr Motivation, die Null weiterhin festzuhalten – und wirklich zum achten Mal in Folge zu gewinnen.

Die Statistik

Villarreal: Diego Lopez - Mario Gaspar, Zapata, Musacchio, Catala - Marchena - Marcos Senna (46. Cani), Bruno Soriano - de Guzman (72. Camunas) - Nilmar (58. Ruben), Rossi. - Trainer: Carlos Garrido

München: Neuer - Boateng, van Buyten (23. Rafinha), Badstuber, Lahm - Timoschtschuk, Schweinsteiger - Müller, Kroos (81. Luiz Gustavo), Ribery - Gomez (46. Petersen). - Trainer: Heynckes

Schiedsrichter: Cüneyt Cakir (Türkei)

Tore: 0:1 Toni Kroos (7.), 0:2 Rafinha (76.)

Zuschauer: 15.000

Beste Spieler: Diego Lopez - Badstuber, Kroos

Gelbe Karten: Marchena - Timoschtschuk, Schweinsteiger

Torschüsse: 7:15

Ecken: 2:4

Ballbesitz: 47:53 Prozent

Fouls: 16:24