Der Basketball-Star wird nach dem Aus bei der Europameisterschaft in Litauen zunächst im Nationalteam pausieren. Trainer Dirk Bauermann hofft auf ein Comeback

Vilnius. Dirk Bauermann musste lächeln, als er hörte, wie Dirk Nowitzki kurz vor Mitternacht alle Schuld auf sich genommen hatte. Der 33-Jährige hatte nach dem Aus der deutschen Basketballer bei der Europameisterschaft in Litauen in der Zwischenrunde erklärt, dass alles an ihm gelegen habe: "Die Jungen waren super. Aber ich war einfach nicht in der Verfassung, ein großes internationales Turnier zu spielen und zu dominieren, wie ich es sonst immer gemacht habe."

Bundestrainer Bauermann schüttelte heftig den Kopf über die Selbstgeißelung des NBA-Champions der Dallas Mavericks, mit der Nowitzki nach dem 75:84 gegen Litauen im letzten Spiel des Turniers gar nicht mehr aufhören konnte. Auch Bauermann musste sich erklären; ein geschlagener Mann, der es nicht schaffte, sein Team trotz zweier NBA-Profis zu den Olympischen Spielen nach London zu führen.

"Hier von Schuld zu reden wäre falsch", sagte der 53 Jahre alte Bauermann. "Es war nicht sein Fehler. Dass Dirk überhaupt hier war, hat uns erst die Chance auf Olympia gegeben."

Kritik an Nowitzki hält Bauermann für absurd. Auch wenn es sich hierbei um Selbstkritik handelt. Natürlich weiß niemand besser als der Bundestrainer, dass Nowitzki nicht in der Form war - auch nicht sein konnte -, mit der er im Juni die NBA-Meisterschaft gewann und selbst zum wertvollsten Spieler der Finalserie aufgestiegen war.

Es war auch nicht die unglaubliche Erwartungshaltung, die er auf seinen Schultern trug und die ihn erdrückte. Ganz Basketball-Deutschland erwartete mit ihm eigentlich den Durchmarsch zum EM-Titel. Doch Nowitzki ist ein Mensch, auch er benötigt Ruhephasen, Zeit für die geistige und körperliche Regeneration. Nowitzki hatte diese Zeit nach einer Saison mit mehr als 100 Spielen nicht. Er kam von den Meisterfeiern direkt zur Meisterschaftsvorbereitung: "Die ersten fünf EM-Spiele in sechs Tagen waren heftig für mich", gab der Flügelspieler zu.

Es sagt deshalb viel aus über den Charakter Nowitzkis, dass er überhaupt bei der EM spielte. "Ich kenne keinen einzigen NBA-Profi, der sich das angetan hätte", sagte Bauermann.

Es hatte etwas Rührendes, etwas Endgültiges, als sich Dirk Nowitzki am Ende im Bauch der Arena plötzlich bei allen bedankte. Die Kameras und Mikrofone liefen noch auf Aufnahme. Er bedankte sich beim Deutschen Basketball-Bund, bei den Trainern, Mitspielern, bei den Ärzten und Physiotherapeuten, sogar bei den Journalisten. "Es war eine gute Zeit", schloss Nowitzki seine Danksagung mit belegter Stimme ab. Es klang nach Abschied.

Nowitzki selbst hatte vor seinem 141. Länderspiel angekündigt, dass er eine Pause machen wolle. Ein, zwei Jahre. Vielleicht auch länger - oder sogar für immer. Wer weiß das schon? 2013, bei der nächsten Europameisterschaft, wird er 35 sein: "Man muss schauen, was die Zukunft bringt."

Bauermann hält es für möglich, dass sich Nowitzki nicht mehr das Nationaltrikot überstreifen wird. "Doch mein Bauchgefühl sagt mir, dass er noch mal spielen wird." Fast der gleichen Worte bediente sich der Trainer, als er über seine eigene Zukunft sprach. Der gebürtige Rheinländer hört nach acht Jahren als Bundestrainer auf. Es sei eine Zäsur, wie er zugibt. "Aber ich glaube nicht, dass ich das letzte Mal Verantwortung für die Nationalmannschaft getragen habe."

Zunächst einmal will er sich voll und ganz seiner Aufgabe als Vereinstrainer beim FC Bayern München widmen. Ob schon wieder in ein oder zwei Tagen, "das habe ich noch nicht entschieden", wie Bauermann sagt. "So ein Sommer mit der Nationalmannschaft ist brutal anstrengend. Ich brauche jetzt ein paar Tage, um die Dinge zu verarbeiten und neue Energie zu finden."

Auch auf Center Chris Kaman (Los Angeles Clippers), der in Litauen überragte, aber ein Mitwirken immer von Nowitzkis Anwesenheit abhängig macht, wird die deutsche Mannschaft vorerst verzichten müssen. "Ich mache mir keine Sorgen um die Zukunft", sagte trotzdem Ingo Weiss, der Präsident des DBB. Sein Optimismus wurde nicht durch die Leistung der Nationalmannschaft bei der EM gedeckt. Im Schatten von Nowitzki und Kaman haben zu wenige einen Schritt nach vorn gemacht: Da ist Robin Benzing, 22, zu nennen, auch Spielgestalter Heiko Schaffartzik, 27, hat sich noch einmal weiterentwickelt. Hingegen haben hochgelobte Talente wie Tibor Pleiß, 22, und Tim Ohlbrecht, 23, erfahren müssen, dass sie auf höchstem Niveau nicht mithalten können.