Ex-Weltmeister Dariusz Michalczewski spricht über das heutige Länderspiel Polen gegen Deutschland und den Kampf Adamek gegen Klitschko.

Hamburg. Als Unternehmer scheint Dariusz Michalczewski ebenso erfolgreich zu werden wie als Profiboxer. Mit seinem Energiegetränk „Tiger Drink“ hat der 43-Jährige, der von 1994 bis 2003 WBO-Weltmeister im Halbschwergewicht war, in seinem Geburtsland Polen gerade zum ersten Mal den Branchenriesen „Red Bull“ überflügelt. In dieser Woche gibt es für ihn allerdings nur ein Thema: Sport.

Hamburger Abendblatt: Herr Michalczewski, mit dem Fußball-Länderspiel heute in Danzig gegen Deutschland und der Schwergewichts-WM zwischen Tomasz Adamek und Vitali Klitschko am Sonnabend in Breslau erlebt Polen in dieser Woche zwei sportliche Großevents. Worauf freuen Sie sich mehr?

Dariusz Michalczewski: Ich freue mich auf beide, werde auch bei beiden live im Stadion sein. Der Boxkampf hat aber die größere Bedeutung, denn es ist die erste Schwergewichts-WM, die es jemals in Polen gab. Im Fußball ist es nur ein Freundschaftsspiel, davon erwarte ich mir nicht so viel.

Die Rivalität zwischen Polen und Deutschen ist groß. Gibt es zwischen den Nationen überhaupt Freundschaftsspiele?

Michalczewski: Natürlich, die Rivalität ist doch Schnee von gestern. Polen ist ein modernes Land geworden, und wir haben großen Respekt vor den Deutschen, insbesondere vor den Fußballern. Was die erreicht haben, davor zieht in Polen jeder den Hut.

Sie haben beide Staatsbürgerschaften. Für wen schlägt Ihr Herz?

Michalczewski: Mein Herz schlägt immer für den Kleineren, und das ist in dem Fall Polen. Aber wenn Deutschland gegen Polen spielt, bin ich eigentlich dafür, dass der Bessere gewinnen soll, denn in erster Linie bin ich Sportfan. Für mich sind solche Spiele natürlich etwas Besonderes, denn ich gucke nach wie vor viel Bundesliga und bin ein großer Fan des deutschen Fußballs. Lukas Podolski ist ein guter Freund von mir. Wenn die Hymnen gespielt werden, singe ich die deutsche Hymne auf polnisch. Dann lachen immer alle, die das hören, aber es ist meine Art, die Verbundenheit zu beiden Ländern zu zeigen.

Es ist bekannt, dass Sie ein unverkrampftes Verhältnis zu Ihrer Nationalität haben. Sie lachen über Polenwitze genauso wie über Deutschenwitze. Haben Sie das Gefühl, dass die Völker beider Staaten mittlerweile gute Nachbarn sind?

Michalczewski: Auf jeden Fall, das Verhältnis hat sich sehr gebessert. Die Deutschen respektieren die Polen mittlerweile viel mehr als früher. Das freut mich besonders, denn ich habe immer für ein Europa ohne Grenzen gekämpft. Natürlich gibt es immer noch Vorurteile, aber wer nach Polen reist, der wird sehen, was für ein modernes Land wir mittlerweile geworden sind. Deshalb kann ich nur alle Sportfans einladen, im kommenden Jahr zur Europameisterschaft zu kommen. Ihr werdet euch wundern!

Herrscht in Polen große Vorfreude oder gar Euphorie angesichts der EM? In Deutschland hört man meist nur, dass die Stadien nicht rechtzeitig fertig werden…

Michalczewski: Euphorie herrscht noch nicht, aber keine Sorge, die Stadien werden fertig sein. Wir werden nicht alles schaffen, was wir uns vorgenommen haben, sicherlich werden nicht alle Straßen gebaut sein, die geplant wurden. Aber wir sind auf einem tollen Weg, und die EM hat viele Dinge beschleunigt.

Die größte Sorge sind die Hooligans im polnischen Fußball. Kriegt der Verband die Schläger unter Kontrolle?

Michalczewski: Diese Menschen müssten viel härter bestraft werden, sie sind dumme Egoisten, die den Sport kaputt machen. In Polen gehen kaum Familien mit Kindern zum Fußball, weil es zu gefährlich ist. Das ist traurig. Ich denke aber, dass es während der EM wenigstens in den Stadien ruhig bleibt, dafür wird die Polizei schon sorgen. Für die Städte kann niemand eine Sicherheitsgarantie abgeben, aber das ist in Deutschland auch nicht anders.

Sie sind als ehemaliger Boxweltmeister, der als Jugendlicher auch auf der Straße gekämpft hat, ein Vorbild. Können Sie nicht auf die Hooligans einwirken?

Michalczewski: Das tue ich doch! Ich besuche im Rahmen meiner Stiftung ‚Gleiche Chancen’ jede Woche Schulen und Gefängnisse und versuche, den Jugendlichen zu erklären, dass Gewalt keine Probleme löst. Allerdings müsste man viel mehr an die Eltern ran, denn die Erziehung ist das eigentliche Problem, da muss mehr getan werden.

Die Klitschko-Brüder sind im EM-Organisationskomitee der Ukraine engagiert. Sind Sie in Polen auch eingebunden?

Michalczewski: Ja, ich bin bei einigen Gesprächen dabei und stehe als Werbefigur zur Verfügung. Allerdings bin ich politisch nicht so engagiert wie Vitali Klitschko. Ich interessiere mich zwar für Politik und gehe auch wählen, aber ich bin zu wenig diplomatisch, um eine Karriere als Politiker anzustreben. Ich bewundere Vitali dafür, dass er neben dem Boxen Zeit für die Politik findet.

Wie ist Ihr Kontakt zu den Klitschkos, mit denen Sie jahrelang im Hamburger Universum-Stall trainierten?

Michalczewski: Zu den Jungs selbst habe ich kaum Kontakt, aber über meinen Trainer Fritz Sdunek höre ich, was los ist. Die Karten für den Kampf gegen Adamek habe ich von den Klitschkos bekommen. Das war sehr nett. Ich habe Riesen-Respekt vor den Jungs, sie sind leuchtende Beispiele für den Boxsport.

Glauben Sie, dass Adamek eine Chance hat, Vitali zu besiegen?

Michalczewski: Ich weiß nicht, in welcher Verfassung Vitali ist, denn seine letzten Kämpfe waren gegen Gegner, die ihn nicht gefordert haben. Adamek ist nach Lennox Lewis der stärkste Gegner, den Vitali je hatte. Er ist schnell, technisch gut und kann hart schlagen. Er darf nur nicht den Fehler machen, Vitali in der Halbdistanz zu stellen. Er muss schnell angreifen und sofort wieder in die Distanz kommen. Dann ist Vitali verwundbar.

Ist Adamek in Polen ein Volksheld?

Michalczewski: Er ist schon sehr bekannt, aber ein Volksheld ist er noch nicht. Aber wenn er Vitali besiegt, dann wird er einer sein, denn er wäre Polens erster Schwergewichtsweltmeister.

Polen ist ein Land mit vielen großartigen Sportlern, die Menschen sind sportverrückt und sorgen immer für prächtige Stimmung im Stadion. Woher kommt diese Begeisterung?

Michalczewski: Das ist ein Relikt aus den Zeiten des Kommunismus, wo der Sport die einzige Möglichkeit war, weltweiten Ruhm zu erlangen und den Menschen Erfolge zu schenken. Diese Begeisterung haben wir uns bewahrt.

Haben Sie verfolgt, was aus Universum geworden ist?

Michalczewski: Natürlich, es ist eine Katastrophe. Mir tut es richtig weh, dass der Stall so am Boden ist. Aber Universum-Chef Klaus-Peter Kohl hat sich überschätzt, er hat sein Lebenswerk kaputt gemacht.

Sie selbst haben immer mal wieder an ein Comeback gedacht, zuletzt gab es Gerüchte um einen dritten Kampf mit Graciano Rocchigiani. Was ist da dran?

Michalczewski: Ich habe gehört, dass Rocky gegen mich kämpfen will. Dann habe ich gesagt, dass wir reden können, wenn er mir ein Angebot macht. Es gibt aber kein Angebot.

Wären Sie denn überhaupt fit genug, um noch einmal in den Ring zu steigen?

Michalczewski: Ich fahre täglich 30 Kilometer Rad, trainiere oft in einem meiner Fitness-Studios, habe vier Marathonläufe hinter mir. Ich wiege aktuell knapp unter 100 Kilo, fürs Halbschwergewicht reicht das nicht. Aber mit ein bisschen Training ginge das schon.