Der als faul kritisierte Speerwerfer weist die Vorwürfe nach seinem Titelgewinn zurück

Daegu. Vom Zappelphilipp zum Weltmeister: Als Kind trieb Speerwerfer Matthias de Zordo seine Mutter mit seinem ausgeprägten Bewegungsdrang fast zur Verzweiflung, bei der Leichtathletik-WM entnervte er die Konkurrenz bereits im ersten Versuch. Mit seinem Wurf auf 86,27 Meter holte sich der EM-Zweite von Barcelona 2010 am Sonnabend Gold - und strafte damit auch alle Kritiker Lügen. "Ich habe meine Mama früher ganz schön genervt", erzählte de Zordo. Doch die Tochter eines Italieners zog daraus die richtigen Schlüsse. Um das unruhige Kind zu beschäftigen, meldete sie den Sohn in einem Sportverein an. "Das ist das Einzige, was mich je interessiert hat: Sportler zu werden", sagte de Zordo.

Aber selbst in der Stunde seines größten Erfolgs musste sich der Weltmeister noch rechtfertigen. Zu trainingsfaul sei er, wurde in den letzten Tagen immer wieder über den 23-Jährigen gesagt. "Natürlich schwingt da Genugtuung mit, dass ich es allen gezeigt habe", gab de Zordo zu: "Zuletzt habe ich immer wieder gelesen, ich sei ein fauler Sack. Das nervt schon, und das stört mich."

Dass de Zordo nicht die Umfänge anderer Athleten trainiert, steht außer Frage. Daraus jedoch auf Faulheit zu schließen, wäre falsch. "Wie man gesehen hat, mache ich ja meinen Job", sagte er: "Es ist die Frage, ob es manchmal nicht zu viel des Guten ist. Ich bin noch jung, will mich noch entwickeln und nicht zu früh verheizen. Ich weiß eben meine Grenzen einzuschätzen."

Für den Newcomer, dessen Stern bei der Europameisterschaft in Barcelona aufgegangen war, ist das "Wohlfühlen" wichtiger für die eigene Leistung als maximale Kraftwerte. Außerhalb des Trainingsplatzes lässt er deshalb auch mal fünf gerade sein. Besuche bei "bösen Fast-Food-Ketten" oder das gemeinsame Biertrinken mit Freunden gehören auch dazu. In Zeiten, in denen Sportler mit Ernährungsberatern, asketischer Lebensweise oder speziell angefertigten Kraftmaschinen die letzten Prozente an Leistungsfähigkeit herauskitzeln wollen, ein scheinbar "revolutionärer" Ansatz. De Zordo scheint der Beweis dafür zu sein, dass Erfolge bei großen Meisterschaften eben nicht von wissenschaftlichen Werten, sondern von der Einstellung abhängen.

"Ich habe ehrlich gesagt nicht daran geglaubt, dass er hier gewinnt", gab Speerwurf-Bundestrainer Boris Henry zu, der in Daegu selbst eine Achterbahnfahrt der Gefühle erlebte. Am Freitag warf seine Freundin Christina Obergföll an einer Medaille vorbei, einen Tag später gewann sein Schützling de Zordo Gold: "Ich war am Boden zerstört und dann im siebten Himmel. Aber das Glücksgefühl überwiegt", sagte Henry.

Glücklich war auch de Zordo auf seiner Goldparty, die für ihn um 4 Uhr morgens endete. Da blieb kaum Zeit, die über 400 Glückwunsch-Mails zu lesen. Das wird de Zordo nachholen, wenn er es wieder etwas ruhiger angehen lässt. "Ich bin eben jemand, der im Stadion immer 150 Prozent gibt. Aber privat mag ich es eher ruhig."