Kerber gewann 6:3, 4:6, 6:3 im Flutlichtspiel gegen die an Position zwölf gesetzte Agnieszka Radwanska. Auch Görges und Lisicki sind weiter.

New York. Nach dem Überraschungssieg auf dem Grandstrand von Flushing Meadows spielte das Adrenalin Angelique Kerber einen Streich. «Ich wusste im Nachhinein gar nicht mehr, wie ich den Matchball überhaupt verwandelt habe. Ich musste es mir erzählen lassen, so fokussiert war ich», sagte die 23-Jährige nach dem 6:3, 4:6, 6:3 im Flutlichtspiel gegen die an Position zwölf gesetzte Agnieszka Radwanska (Polen). Damit zog Kerber als dritte deutsche Spielerin nach Sabine Lisicki (Berlin) und Julia Görges (Bad Oldesloe) in die dritte Runde der US Open ein.

Ihr erster Sprung in die Runde der letzten 32 von New York wirkte dann auch wie Balsam auf die geschundene Seele. Zehn Erstrundenpleiten hatte Kerber im Seuchenjahr 2011 bislang kassiert. Von Rang 45 zu Jahresbeginn ist die Kielerin inzwischen bis auf Platz 92 abgerutscht.

Doch die Leistungskurve zeigt seit einigen Wochen wieder steil nach oben. Beim Turnier in Dallas Mitte August hatte Kerber das Halbfinale erreicht. Zuvor hatte die deutsche Nummer fünf nach dem Motto «Einsicht ist der erste Weg zur Besserung» gnadenlose Analyse betrieben. «Ich habe gemerkt, dass ich von Turnier zu Turnier gerreist war, ohne mein Spiel weiterentwickeln zu wollen», meinte Kerber.

Inzwischen versucht sie, ihren Plan A konsequent durchzuziehen - und aggressiv bis zum letzten Ballwechsel zu bleiben. Im Kampf um ihre erste Achtelfinalteilnahme bei einem Grand-Slam-Turnier trifft die Linkshänderin mit den polnischen Wurzeln am Freitag auf die Russin Alla Kudryawtsewa, die im Ranking 15 Plätze vor Kerber liegt. «Ein Sieg wäre ein Traum», verriet der Blondschopf.

Geht es um das Thema Fed Cup, dann verfinstert sich die Miene von Kerber aber selbst in Augenblicken der Freude schlagartig. Noch immer kann sie nicht verstehen, dass Teamchefin Barbara Rittner im April für das Heimspiel gegen die USA (5:0) die lange Zeit verletzte Sabine Lisicki statt ihr nominierte. «Was soll ich dazu sagen?», fragte Kerber noch heute rhetorisch und zuckt ratlos mit den Schultern. Zwischen der Kielerin und Rittner herrscht seitdem Eiszeit.

Doch abgehakt hat Kerber den Mannschaftswettberb noch nicht: «Ich bin weiterhin bereit zu spielen.» Im Februar 2012 steht die Erstrundenpartie der Weltgruppe gegen Tschechien an. Allerdings sind Andrea Petkovic (Darmstadt), Lisicki und Görges gesetzt. Fraglich scheint nur noch die Besetzung des vierten Platzes, um den sich auch Doppelspezialistin Anna-Lena Grönefeld (Nordhorn) und Kristina Barrois (Stuttgart) bewerben.

Keine Blöße gaben sich in der berühmten Nightsession von New York auch die Mitfavoritin Maria Scharapowa (Russland) und der US-Hoffnungsträger Andy Roddick. Einen Tag nach seinem 29. Geburtstag zog der Turniersieger von 2003 durch ein 6:2, 6:4, 4:6, 7:5 gegen seinen Landsmann Michael Russell in die zweite Runde ein. Dort trifft Roddick in einem prestigeträchtigen Duell der Generationen auf den 18 Jahre alten Lokalmatadoren Jack Sock.

Die an Position drei gesetzte Scharapowa, die in Flushing Meadows 2006 triumphierte, hatte beim 6:1, 6:1 gegen ihre Landsfrau Anastasja Jakimowa wenig Probleme. Die diesjährige Wimbledonfinalistin Scharapowa wahrte ihre weiße Weste bei Nightsession-Auftritten im größten Tennisstadion der Welt (13:0 Siege) und trifft am Freitag in der dritte Runde auf die Italienerin Flavia Pennetta.

Auch Görges und Lisicki in Runde drei

Julia Görges und Sabine Lisicki haben auf dem Weg in die dritte Runde der US Open in New York wertvolle Kräfte gespart: Während Görges im Schnelldurchgang siegte, musste ihre Fed-Cup-Kollegin Lisicki gar nicht erst antreten. Die Wimbledon-Halbfinalistin aus Berlin profitierte vom Rückzug der zweimaligen Turniergewinnerin Venus Williams. Die US-Amerikanerin trat wegen einer Erkrankung nicht an. Die siebenmalige Grand-Slam-Siegerin leidet am Sjögren-Syndrom. Das gab die 31-Jährige nach ihrem Zweitrunden-Verzicht bei den US Open in New York bekannt. „Ich bin dankbar, dass ich jetzt die Diagnose habe. Ich werde daran arbeiten, dass es mir bald besser geht und ich schon bald auf den Court zurückkehren kann“, erklärte Venus Williams, die das Turnier in Flushing Meadows zweimal gewonnen (2000 und 2001) hatte.

Das Sjögren-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die Immunzellen die Speicheldrüsen und Tränendrüsen angreifen. Venus Williams hatte bereits in den vergangenen Wochen über Schwäche und Muskelschmerzen geklagt. Wegen einer Hüftverletzung und einer monatelangen Pause hat sie in diesem Jahr erst elf Matches bestreiten können. In der neuen Weltrangliste wird die letztjährige US-Open-Halbfinalistin sogar aus den Top 100 herausfallen.

Als erstes Mitglied der deutschen Frauenpower-Riege war die an Position 19 gesetzte Görges mit einem 6:3, 6:1 gegen Laura Pous-Tio (Spanien) in die Runde der letzten 32 gestürmt. Die Rechtshänderin aus Bad Oldesloe benötigt nur noch ein Sieg, um erstmals in ihrer Karriere in das Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers einzuziehen.

+++ Andrea Petkovic und die Angst ums Knie +++

Im nächsten Match wartet am Freitag die Chinesin Peng Shuai, die in der Weltrangliste sieben Ränge höher platziert ist als Görges. Lisicki trifft auf Dominika Cibulkova (Slowakei/Nr. 14) oder Irina Falconi (USA).

Nach 70 Minuten verwandelte die 22-jährige Görges ihren zweiten Matchball und zog erstmals in die dritte Runde von Flushing Meadows ein. Die vorherigen beiden Duelle mit Pous-Tio hatte die an Position

19 gesetzte Görges noch verloren. Fünf der acht deutschen Profis, die in New York den Sprung in die zweite Runde geschafft hatten, waren Frauen. Andrea Petkovic (Darmstadt) und Lisicki zählten sogar zu den Geheimfavoritinnen.

Görges, die ihren rechten Oberschenkel wegen einer leichten Zerrung erneut bandagiert hatte, fand gegen die Spanierin nur langsam in die Partie. Gleich ihre erstes Aufschlagspiel musste die Stuttgart-Gewinnerin auf dem neugebauten Court 17 abgeben. Doch dank ihres druckvollen Grundlinienspiels übernahm Görges, der 30 „Winner“ gelangen, in der Folge die Initiative.

Für Görges lief es zuletzt alles andere als rund: Seit Wimbledon hatte sie bis dato in neun Matches sechs Niederlagen kassiert und war bei den vergangenen sechs Turnieren bereits in der ersten Runde gescheitert. Zwei Zahnoperationen hatten ihren Teil zur enttäuschenden Bilanz beigetragen. In der nationalen Rangliste wurde Görges folgerichtig von Lisicki von Platz zwei auf Rang drei verdrängt.

In den Tagen von New York fühlt sich Görges aber pudelwohl. Vor allen Dingen physisch hat sie sich weiter verbessert. Was nicht zuletzt eine Anekdote aus dem Trainingsalltag belegt. Zunächst hatte Görges nach ihrer Ankunft geglaubt, die Courts in Flushing Meadows seien in diesem Jahr langsamer. Bis Trainer Sascha Nensel ihr die Augen öffnete. „Es liegt einfach daran, dass ich mich besser bewege“, erklärte die Norddeutsche, die wegen ihres Aussehens von der internationalen Presse ab und an als „Gorgeous Görges“ bezeichnet wird.

Ungeachtet des Abschneidens bei den US Open ist das Jahr 2011 das bislang erfolgreichste ihrer Karriere. Obwohl Görges in Sachen Prämie noch gar nicht auf ihre Kosten gekommen ist. Der silberne Sportwagen, den sie beim glänzend besetzten Turnier im April in Stuttgart gewann, ist erst kürzlich in Lübeck angekommen. „Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihn zu fahren“, berichtete Görges schmunzelnd. Das soll aber alsbald nachgeholt werden.

Dagegen werden die Sorgen um die an einem Meniskuseinriss laborierende Andrea Petkovic größer. Die deutsche Nummer eins hat weiterhin Schmerzen, tritt aber am Donnerstag in der zweiten Runde auf jeden Fall gegen Zheng Jie (China) an. „Ich bin mir des Risikos bewusst und vertraue auf mein gutes Körpergefühl. Aber ich habe meine Grenze: Wenn das Knie während des Matches dick wird, dann höre ich sofort auf“, kündigte die 23-Jährige an.

Selbstvertrauen tankten Florian Mayer (Bayreuth) und Mona Barthel (Bad Seegeberg) durch ihre starke Erstrunden-Leistungen. „Nach den schlechten Spielen in den vergangenen Wochen geht es auch um Frustbewältigung“, sagte der an Position 26 gesetzte Mayer, der in Runde zwei auf den Qualifikanten Jean-Rene Lisnard aus Monaco trifft. Barthel bekommt es bei ihrem erst dritten Gran-Slam-Turnier am Donnerstag mit Chanelle Scheepers (Südafrika) zu tun.