Drei deutsche Medaillen: Im Siebenkampf holte Jennifer Oeser Bronze. Martina Strutz überraschte im Stabhochsprung. Gold für Robert Harting.

Daegu. Mit Gold, Silber und Bronze binnen 52 Minuten haben Deutschlands Leichtathleten bei WM-Halbzeit in Daegu ihre Medaillenbilanz kräftig aufpoliert. Zum Helden des vierten WM-Tages wurde vor 40.000 Zuschauern Diskus-Hüne Robert Harting, der als alter und neuer Weltmeister wie 2009 in Berlin mit lautem Urschrei das Trikot zerriss. Sechs Minuten später war das Stabhochsprung-Silber von Martina Strutz perfekt, die als Zugabe mit 4,80 m auch noch einen deutschen Rekord servierte. Jennifer Oeser hatte mit Bronze im Siebenkampf den Auftakt gemacht.

„Vier Medaillen nach vier Tagen - das ist eine erfreuliche Bilanz, auch wenn zuvor nicht alle Träume in Erfüllung gegangen waren“, sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Die erste Medaille des 71-köpfigen Teams hatte Nadine Müller mit Silber ebenfalls im Diskusring gewonnen. Anwärter auf Gold sind am Freitag Speerwurf-Ass Christina Obergföll und am Sonntag Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler.

„Das Knie tut tierisch weh, aber egal. Jetzt wird erst einmal gefeiert“, meinte ein vor Freude überwältigter Robert Harting, den Teamarzt Helmut Schreiber wegen der lädierten Patellasehne mit drei Spritzen in die Arena geschickt hatte. Gleich im ersten Versuch setzte Harting die Konkurrenz mit 68,49 schachmatt, legte im vierten Durchgang mit 68,97 m noch einen drauf. „Robert hat heute in einer eigenen Liga gespielt“, sprach Estlands Olympiasieger Gerd Kanter hohes Lob aus für den 26-Jährigen, der sich anschickt, in die Fußstapfen von Lars Riedel zu treten. Der hatte vier seiner fünf WM-Titel in Serie geholt.

„Das Gold widme ich meinem Kumpel, der im Mai in Afghanistan gefallen ist. Ich weiß, dass Du zuguckst“, meinte Harting mit Blick zum Himmel über Daegu im ARD-Fernseh-Interview. Auch in der Stunde des Triumphes sparte der Olympiavierte nicht mit Kritik. Harting erneuerte die Forderung: „Olympiasieger sollten eine lebenslange Rente erhalten. Das wäre ein Anreiz, alles auf eine Karte zu setzen. Aber so gehen dem Sport viele Talente verloren.“

„Die Spritzen haben heute sehr weh getan. Aber alle hatten ihre Probleme.“ Auf Hartings 68,49 m zum Auftakt hatte die Konkurrenz vor 40.000 Zuschauern in der südkoreanischen Millionenstadt keine Antwort. Gerd Kanter brachte im zweiten Durchgang noch 66,95 m zu Stande, der Iraner Ehsan Hadadi holte mit 66,08 m Bronze. Leer aus gingen der zweimalige Olympiasieger Virgilijus Alekna (Litauen/6.) und der Pole Piotr Malachowski, der Harting vor zwei Jahren in Berlin einen Kampf auf Messers Schneide geliefert hatte.

Fast hätte auch Martina Strutz ihren atemberaubenden Höhenflug in dieser Saison mit Gold gekrönt. Doch beim erneuten Absturz von Russlands Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa (6.) war die Chance dahin, als die Brasilianerin Fabiana Murer im ersten Versuch 4,85 m nahm (Südamerikarekord). Die nur 1,60 große Mecklenburgerin Strutz konnte nicht mehr kontern. Nur Neunte wurde Mitfavoritin Silke Spiegelburg (4,65) und meinte: „Ich muss jetzt erst mal nach Hause und alles sacken lassen.“

Martina Strutz (29), die gegenüber der Zeit ihres fünften EM-Ranges von 2006 zehn Kilo abnahm, hat sich vom einstigen Moppelchen zur Weltklasseathletin gemausert. „Das war der schwerste, beste und geilste Wettkampf meines Lebens. Als ich über die Latte geflogen bin, habe ich gedacht: Was ist denn hier los? Das Gefühl ist ungeschreiblich“, sagte Strutz. Als ihr Silberrang feststand, ließ die Blondine mit der frechen Frisur und den zahlreichen Tattoos ihren Gefühlen freien Lauf: Tränen der Freude liefen Strutz über das Gesicht.

Jennifer Oeser, die 2009 in Berlin trotz Sturz im 800-m-Lauf Silber gewonnen hatte, eroberte nach dem „Tag der Tränen“ dank der Steigerung auf 51,30 m im Speerwerfen und einer Energieleistung im 800-m-Lauf noch Bronze. Mit ihren 6572 Punkten wurde die Leverkusener EM-Dritte am Ende nur übertroffen von der russischen Olympiadritten Tatjana Tschernowa (6880) und der enthronten Titelverteidigerin Jennifer Ennis aus Großbritannien (6751).

„So ein Wechselbad der Gefühle habe ich nie erlebt. Danke an alle, die mir gestern einen Arschtritt verpasst haben. Das waren einige. Ich habe es aber auch gebraucht. Nach einem solchen Tag denkt man nicht mehr an die Top 3, aber hinten kackt die Ente“, sagte Oeser, in deren Schatten Lilli Schwarzkopf (Rhein-Wied) mit 6321 Punkten Sechste wurde.

Einen guten neunten Platz mit deutschem Jugendrekord von 9:32,74 Minuten belegte Gesa Felicitas Krause (LG Frankfurt) über 3000 m Hindernis bei dritten russischen Daegu-Gold durch Julia Saripowa (9:09,74). Die gleiche Anzahl von Siegen hat Kenia auf dem Konto, dessen 800-m-Weltrekordler David Rudisha in 1:43,91 Minuten nie in Gefahr war. Mehr Gold gewannen nur die USA (4). Doch ihr 400-m-Titelverteidiger La Shawn Merritt unterlag überraschend dem Youngster Kirani James aus Grenada (44,60).