Die deutschen Hockey-Damen starten mit Sieg und Niederlage in die EM in Mönchengladbach. Herren gewinnen zum Auftakt 3:1 gegen Belgien

Mönchengladbach. Der Discjockey im Warsteiner Hockey-Park wird sich nichts dabei gedacht haben, als er vor der vierten englischen Strafecke den AC/DC-Klassiker "Highway To Hell" einspielte. Weil Eckenspezialistin Crista Cullen die Gelegenheit jedoch nutzte und die Kunststoffkugel in Minute 40 zum 2:0-Endstand im deutschen Tor unterbrachte, bekam die musikalische Untermalung plötzlich symbolische Bedeutung. Denn anstatt den leichteren Weg in Richtung London einzuschlagen, waren die deutschen Damen bei der EM in Mönchengladbach auf die Autobahn Richtung Hölle eingebogen - dachten alle.

Für den Deutschen Hockey-Bund (DHB) zählt beim EM-Heimspiel nicht in erster Linie der Titel, sondern die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele 2012 in der britischen Hauptstadt. Bei den Damen lösen neben den Engländerinnen zwei weitere Teams bei der EM das Ticket, deshalb wäre ein Finaleinzug die sichere Variante. Um diesen zu schaffen, wäre es von Vorteil, im Halbfinale dem Topfavoriten Niederlande aus dem Weg zu gehen. Dazu, mutmaßten die Experten, müsse der Gruppensieg her. Doch nachdem die Niederlande am Sonntagabend trotz haushoher Überlegenheit überraschend gegen Spanien 0:1 verloren, könnte die ernüchternde Schlappe gegen die Britinnen am Ende doch nicht so schmerzen wie befürchtet.

Sieben Partien in Serie hatten die DHB-Damen gegen England verloren, und dass sie gestern vom Aufbessern dieser Bilanz so weit entfernt waren wie der HSV vom Erreichen eines Champions-League-Platzes, lag vor allem an der mangelnden Bissigkeit und dem fehlenden Willen, die Partie zu dominieren. Bis zum ersten Gegentor durch Cullen, die in der 18. Minute die zweite von acht Ecken nutzte, waren die Deutschen überlegen gewesen, anschließend wirkte ihr Spiel vor 5000 Fans, als hätte jemand den Motor abgewürgt. Die Offensive entwickelte kaum einmal Torgefahr, das Mittelfeld stand viel zu weit von den Gegenspielerinnen entfernt, um Druck zu entfachen, und in der Defensive wurde ein ums andere Mal zu sorglos zugeschaut.

So drängte sich der Eindruck auf, dass das klare 3:0 zum Auftakt gegen Irland am Sonnabend durch Tore von Natascha Keller (Berliner HC/2.), Fanny Rinne TSV Mannheim/26.) und Holland-Legionärin Julia Müller (48.) ein Muster ohne Wert war. "Wir waren heute nicht gut genug, um zu gewinnen, weil wir es nicht geschafft haben, Torchancen und Ecken herauszuarbeiten", sagte Behrmann, "aber es hilft nichts zu lamentieren, jetzt müssen wir gegen Belgien erst einmal den Halbfinaleinzug sichern." Deutschland kämpft morgen (15 Uhr/WDR) gegen Belgien, das am Sonntagabend 3:0 gegen Irland gewann, quasi in einem Endspiel um den zweiten Platz.

Die Spielerin, die am wenigsten für die Niederlage konnte, war Torhüterin Kristina Reynolds. Für die 27-Jährige vom Klipper THC war die Partie eine besondere, weil ihr Vater aus England stammt. Ihr Einsatz hatte jedoch nichts damit zu tun, dass der Bundestrainer ihr einen Gefallen tun wollte. Vielmehr hat Behrmann, der im Auftaktmatch auf Yvonne Frank vom Uhlenhorster HC gesetzt hatte, keine Nummer eins benannt. "Ich weiß auch noch nicht, wer gegen Belgien spielt. Ich werde das mit meinem Trainerteam diskutieren und mit den Spielerinnen besprechen, wer sich besser fühlt. Ich entscheide nach Tagesform", sagt er.

Für die beiden Hamburgerinnen ist Behrmanns Vorgehen keine große Belastung. "Natürlich ist einem eine klare Struktur lieber, aber nur, wenn man selbst die Nummer eins ist", sagt Reynolds. Für den Defensivverbund sei die Umstellung nicht problematisch. "Zwischen unserer Art, die Abwehr zu dirigieren, gibt es keine großen Unterschiede, sodass durch den Wechsel keine Unruhe entsteht", sagt Frank.

Die Beziehung zwischen den beiden Torfrauen, die regelmäßig in Hamburg gemeinsam mit Torwarttrainer Heiko Milz arbeiten, ist belastbar. "Natürlich glaubt jede von uns, dass sie besser ist. Aber ehrlich gesagt ist die Entscheidung für den Trainer wirklich hart", sagt Reynolds. Dadurch dass man sich ständig im Training vergleichen könne, profitierten beide voneinander. "Wir pushen uns gegenseitig zur Bestleistung", sagt Frank. Das könnte im Turnierverlauf noch ein entscheidender Faktor werden.

Die deutschen Herren können heute (15 Uhr/WDR) mit einem Sieg über Spanien Platz eins in der Gruppe A sichern. Gleichzeitig wäre damit die Qualifikation für die Olympischen Spiele geschafft, für die bei den Herren das Erreichen des Halbfinales bei der Europameisterschaft genügt, sofern Titelverteidiger England in Gruppe B ebenfalls mindestens Zweiter wird, was nach dem 4:2-Auftaktsieg am Sonntag gegen Irland realistisch erscheint. Die Auswahl von Bundestrainer Markus Weise hatte ihr erstes Gruppenspiel am Sonnabend vor 6000 Fans 3:1 gegen Belgien gewonnen. Die Tore für die in der zweiten Hälfte überlegenen Deutschen erzielten Thilo Stralkowski (Mülheim/42.), Florian Fuchs (Uhlenhorster HC/51.) und der Kölner Jan-Marco Montag (57.) per Strafecke. Spanien besiegte zum Auftakt Russland mit 5:0.