Philipp Lahm ist der mächtigste Fußballer Deutschlands – Kahn-Kritik lässt ihn kalt

München. Oliver Kahn und Michael Ballack sollten sich den 29. August im Kalender anstreichen. Dann erscheint Philipp Lahms Buch „Der feine Unterschied – Wie man heute Spitzenfußballer wird“. Sicher eine gute Lektüre für die Leitwölfe, deren Zeit abgelaufen ist. Der mächtigste Fußballer Deutschlands heißt jetzt Philipp Lahm, und es kennzeichnet seinen Charakter vielleicht am besten, dass der Kapitän bei Bayern München und im deutschen Nationalteam mit diesem Titel gar nichts anfangen kann.

„Ich mache nur meine Arbeit und führe die Ämter so, wie es gut fürs Team ist“, sagt Lahm. Keine Macht haben, nur Einfluss nehmen - mit dieser Art Führungsstil will der nur 1,70 Meter große Chef den Fußball-Rekordmeister in den Play-offs gegen den FC Zürich auch in die Champions League führen. Auch, wenn einer von der alten Schule wie Oliver Kahn das punktgenau vor dem Spiel um garantierte Einnahmen von etwa 25 Millionen Euro heftig kritisiert hat.

Nach seiner Meinung sucht die Generation um Lahm und Bastian Schweinsteiger oftmals Konsens und Anpassung, statt die Mitspieler anzutreiben. Das sei auch ein Grund dafür, warum Deutschland seit dem EM-Triumph 1996 und die Bayern seit dem Champions-League-Sieg 2001 keine Titel mehr gewonnen hätten.

Es gehört nicht zu Lahms Naturell, sich über solche Vorwürfe öffentlich aufzuregen. An dem 27-Jährigen, der mit einer eigenen Stiftung und einem Sommercamp Kinder unterstützt, perlt alles ab wie an Teflon. Was „irgendein ehemaliger Spieler in irgendeinem Blog sagt“, interessiere ihn nicht. Und sprechen werde er mit Kahn ohnehin nicht darüber, „weil ich seine Nummer gar nicht habe“. Ach ja: Titel seien mit dem FC Bayern nur eine Frage der Zeit, glaubt Lahm: „Wir arbeiten dran. Da wächst was zusammen.“

Wo der extrovertierte Kahn in einem Anfall aggressiven Dominanzverhaltens früher mal zubiss (bei Heiko Herrlich) oder am Ohr zog (bei Andreas Möller), spielt der Intellektuelle Lahm lieber gezielt seine verbalen Fähigkeiten aus. Das kann man mögen oder nicht – fest steht, dass er es in Zeiten, wo auch in der Wirtschaft flache Hierarchien als Erfolgsmodell entdeckt werden, auf die beiden wichtigsten Chefposten im deutschen Fußball geschafft hat.

Der entmachtete „Capitano“ Michael Ballack kann ein Lied davon singen. Er verlor die Binde im Nationalteam wegen seiner Verletzung vor der WM 2010 in Südafrika an den flinken Techniker Lahm und ist seitdem ein Auslaufmodell. An der Demontage des letzten großen Führungsspielers der alten Generation gibt sich Lahm selbst keine Schuld. Stattdessen setzt er sich taktisch klug öffentlich dafür ein, dass Ballack doch noch ein Abschiedsspiel bekommt und lässt fast nebenbei fallen, dass Leitwolf-Typen wie der Sachse ausgedient haben: „Wir alle haben uns weiterentwickelt. Man will und muss alle einbeziehen, um erfolgreich zu sein.“

Genau diese Auffassung von Führung mag Bayern-Trainer Jupp Heynckes an seinem Kapitän, der auch auf dem Feld lieber seine Technik und Schnelligkeit einsetzt, statt Foul zu spielen. Lahm sei sehr besonnen und poltere nicht lautstark nach außen, aber wirke nach innen: „Solche Spieler können wahnsinnig viel bewegen. Der Philipp macht das gut.“ In einem Alter, in dem Kahn gerade in die Nationalmannschaft gekommen sei, habe Lahm schon 80 Länderspiele auf dem Buckel.

Intern, so Heynckes, haue der Ur-Bayer durchaus auch mal auf den Tisch. Manchmal macht er das auch nach außen, wie Ende 2009 im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, als er die Führungsetage des FC Bayern offen für ihre Transferpolitik kritisierte. Es gab die höchste Geldstrafe der Geschichte, doch langfristig geschadet hat das weder ihm noch dem Verein.

Genau in dieser Saison schaffte es der FC Bayern ins Finale der Champions League. Und der „kleine Chef“ wurde nach dem Abgang von Mark van Bommel zum Kapitän befördert.