Kapitän Andreas Beck schwärmt vom neuen Trainer: „Seine Emotionen tun uns gut“. Der ehemalige St.-Pauli-Trainer tut Hoffenheim gut.

Hoffenheim. Eine Sorge hat Holger Stanislawski wohl weniger. „Wenn mich die Leute auf der Straße ansprechen, grüße ich immer zurück und lächle. Dabei verstehe ich sie noch gar nicht und weiß nicht, ob sie mich vielleicht sogar beschimpfen“, sagte der „Hamburger Jung“. Doch diese Gefahr dürfte sich für den neuen Trainer von Fußball-Bundesligist 1899 Hoffenheim spätestens nach dem fulminanten Heimdebüt beim 1:0 gegen Meister Borussia Dortmund erledigt haben.

Stanislawski kommt gut an im beschaulichen Kraichgau – ob bei Fans, Verantwortlichen oder den Spielern des Klubs. Denn der 41-Jährige hat den Klub mit seiner Leidenschaft und Begeisterung wieder belebt.

Die Leidenschaft und Begeisterung war den Hoffenheimern zuletzt abhandengekommen. Nach der großartigen ersten Bundesliga-Saison, die auf Platz sieben endete, war zuletzt Ernüchterung eingekehrt. Nun haben die Kraichgauer mit den Beschallungsskandal ganz neue Probleme zu bewältigen. Da kann Klub-Mäzen Dietmar Hopp froh sein, dass sportlich gesehen nicht auch noch die Alarmglocken schrillen.

Von einer „wunderbaren und einmaligen“ Stimmung in der Kabine sprach Hopp nach dem Sieg gegen Dortmund und fügte hinzu: „Der Trainer nimmt alle wichtig.“ Noch auf dem Platz hatte Stanislawski sein Team in einem Kreis versammelt. Nicht nur die Spieler, sondern auch die Betreuer und Ärzte. Eben alle, die mit dazu gehören.

Für Kapitän Andreas Beck ist der Trainer „der Kopf der Mannschaft“. Seine Emotionen täten gut, sagt der Ex-Nationalspieler. Als Torhüter Tom Starke von Stanislawskis Ansprache vor dem Spiel gegen Dortmund schwärmte und ein bisschen aus dem Nähkästchen plauderte, reagierte der Coach mit trockenem, norddeutschem Humor: „Starke, der alte Kadaver. Der ist entlassen.“ Ist er natürlich nicht. Im Gegenteil, die Stimmung ist mindestens so gut wie 2008/2009, als Aufsteiger Hoffenheim zur Herbstmeisterschaft gestürmt war.

Und Stanislawski hat mit seiner Art großen Anteil daran. Im Training streut er schon mal kleine spaßige Wettbewerbe ein, an deren Ende die „Strafe“ für die Verlierer aus einer Tanzeinlage vor den Augen des Teams besteht – dergleichen gehörte schon beim FC St. Pauli zum Repertoire, wo Stanislawski als Spieler, Manager und Trainer 18 Jahre verbracht hat. Doch Stanislawski ist auch ein akribischer Arbeiter. Ein „liebenswerter Diktator“, wie er sich selbst bezeichnet. Gegen Dortmund gab Stanislawski an der Außenlinie alles. Er dirigierte, schrie und köpfte mit. „So fühlt sich Arbeit an. Das ist mein Sportprogramm“, sagte Stanislawski: „Es dient eigentlich eher meiner eigenen Beruhigung. Ich weiß gar nicht, ob es bei den Spielern ankommt.“

Es kommt an. Als Belohnung durfte Stanislawski seinen ersten Sieg in der Bundesliga seit dem 12. Februar – mit seinem Ex-Klub FC St. Pauli – feiern. Von einem Starkult des Trainers will er aber nichts wissen. „Die Jungs sind wichtig, die stehen im Mittelpunkt“, betonte Stanislawski. Sportlich bittet er trotz des Erfolges gegen Dortmund um Geduld. „Viele Mechanismen müssen sich noch einspielen“, sagt er.

Dass er derzeit auf sechs verletzte Profis verzichten muss, führt er vor der nächsten Herausforderung im Auswärtsspiel bei Liga-Neuling FC Augsburg mit keiner Silbe als Entschuldigung an. Stattdessen baut er Nachwuchstalente wie Dominik Kaiser und Sven Schipplock in die Mannschaft ein. Doch vor der größten Herausforderung steht er möglicherweise noch. Auf die Frage, wann er denn das Badener Lied – die Hymne der Region – beherrsche, entgegnete Stanislawski: „Das braucht wohl noch etwas Zeit. Erst einmal muss ich den Dialekt richtig beherrschen.“