Der Formel-1-Weltmeister führt in der WM-Wertung mit 234 Punkten klar - und ist dennoch nicht zufrieden

Hamburg/Budapest. Sebastian Vettel reichte es. Weniger der verpasste siebte Saisonsieg beim Grand Prix in Budapest war dem Weltmeister zu vorgerückter Stunde am Sonntag aufs Gemüt geschlagen, als vielmehr das ständige Schmuddelwetter, gegen das er sich zuvor auch bei den Rennen in Silverstone und auf dem Nürburgring zu erwehren hatte. Deshalb wollte er nach der Tempojagd auf dem Hungaroring auch nur noch weg, möglichst schnell und weit. Und zwar dorthin, wo das Wetter es gut mit dem Red-Bull-Piloten meint. "Ich brauche jetzt endlich mal wieder ein bisschen Sonnenenergie", befand Vettel müde lächelnd und verabschiedete sich, ohne zu verraten, wohin er düsen wird. Die Himmelsrichtung gab er immerhin vor - gen Süden.

Der Titelverteidiger kann den Urlaub in Seelenruhe antreten. In den nächsten Wochen ist Sommerpause in der Formel 1, da dreht sich nirgendwo ein Rad. Während der Auszeit darf weder getestet noch gewerkelt werden. Da das Arbeitsverbot für alle gilt, hat der ehrgeizige Deutsche auch kein Problem mit der Zwangspause.

Obwohl: Gedanklich wird er in den 14 Tagen kaum Ruhe finden. Viele Fragen nach dem Wieso, Warum, Weshalb stellen sich ihm, nachdem er auch im dritten Juli-Rennen am obersten Podestplatz vorbeigerauscht ist. Nach Rang zwei in Silverstone und Platz vier beim Heimrennen blieb ihm auch in der Donaumetropole nur der Ehrenplatz. Erneut musste er mit ansehen, wie ein Pilot von McLaren triumphierte. Nach Lewis Hamilton beim Großen Preis von Deutschland in der Vorwoche war diesmal dessen Teamkollege Jenson Button der Schnellste gewesen. Vettels in den ersten acht Saisonrennen gezeigte Dominanz ist gebrochen. Daran gibt es keinen Zweifel mehr. "Das nagt an mir", gibt er unumwunden zu.

Dass McLaren und auch Ferrari ihre technischen Nachteile gegenüber Red Bull nivelliert haben, "muss man akzeptieren. Sie haben einen guten Job gemacht und fahren uns vor der Nase rum", meinte Vettel. Dennoch bewies gerade das Rennen in Budapest, dass er als Fahrer im perfekten Zusammenspiel mit seinem Team problemlos auf die Angriffe seiner stärksten Konkurrenten reagieren kann. Trotz der chaotischen Bedingungen - insgesamt gab es 86 Boxenstopps - zeigte Vettel bis auf einen Ausrutscher gegen die bei Regen ohnehin technisch überlegenen McLaren-Piloten eine fahrerisch und taktisch erstklassige Vorstellung. Bei trockenen Verhältnisse wäre er wohl vor Button über die Ziellinie gerast.

Dass er ausgerechnet von dem Briten besiegt wurde, überraschte weniger. Sein Vorgänger als Weltmeister ist für seinen weichen und schonenden Fahrstil bekannt, der ihm gerade bei schwierigen, unberechenbaren Witterungsverhältnissen Vorteile verschafft. Realistisch gefährden kann Button den in der WM-Wertung mit 234 Punkten führenden Deutschen kaum noch. Exakt 100 Zähler trennen den Champion 2009 von seinem Titelnachfolger.

Vettels ärgste Rivalen hingegen fuhren in Budapest hinterher. Taktisches Missgeschick wie bei seinem Teamkollegen Marc Webber (149 Punkte), Fahrfehler wie bei Lewis Hamilton (146) oder aber technische Unzulänglichkeiten wie bei Ferraris Nummer eins, Fernando Alonso (145), verhinderten ein Schmelzen des Punkterückstandes auf den 24-jährigen Heppenheimer.

Wäre da nicht Vettels ungestillter Heißhunger nach Rennsiegen, könnte er der am 28. August in Spa mit dem Grand Prix von Belgien beginnenden zweiten Saisonhälfte entspannt entgegensehen. Bei seinem ersten WM-Triumph hatte er bei Halbzeit als Dritter hinter Webber (161) und Hamilton (157) mit 151 Punkten 98 Zähler weniger auf seinem Konto. Am Ende siegte er mit 256 Punkten. Wenn sich also nicht alles gegen ihn verschwört, dürfte ihm der zweite Weltmeistertitel in den acht ausstehenden Rennen nicht mehr zu nehmen sein.

Zumal kein konstanter Siegfahrer - so wie er - in Sicht ist. Auch wenn Webber, Alonso, Hamilton und neuerdings auch Button von sich behaupten, nun jedes Rennen gewinnen zu wollen. Es wird wohl Wunschdenken bleiben. Zugleich, so zeigten es die zurückliegenden Wochen, nehmen sie sich in schöner Regelmäßigkeit wertvolle Punkte gegenseitig weg. Vettel ist das nur recht. Wenn alles optimal läuft, könnte er schon nach den Rennen in Spa, Monza und Singapur die Champagnerkorken knallen lassen. Dafür würden ihm bereits zwei dritte und ein fünfter Platz genügen, sollten Webber, Hamilton und Alonso nicht punkten. Sein Vorsprung auf Webber würde dann 125 Zähler betragen. Durch die höhere Anzahl von Siegen wäre er vom Australier nicht mehr einzuholen.

Rechenspielchen dieser Art sind aber nichts für den Gejagten. Das überlässt der jüngste Weltmeister der Formel-1-Geschichte lieber anderen. Außerdem ist es nicht sein Ziel, um zweite und dritte Plätze zu fahren. "Vielmehr", sagte er entschlossen, "müssen wir jetzt Vollgas geben und alles dafür tun, dass wir wieder gewinnen." Nur das zählt für ihn und für Christian Horner. Auch sein Teamchef will jetzt eine kleine Pause einlegen und etwas Abstand vom Rennzirkus gewinnen. "Vorher allerdings", versprach er, "werden wir herausfinden, warum wir hier und da gegenüber McLaren und Ferrari verloren haben."