Die deutsche Beachvolleyball-Meisterin Jana Köhler servierte in der “Bullerei“ von TV-Koch Tim Mälzer, um ihre Sportreisen zu finanzieren

Hamburg. Als sich Jana Köhler, 25, und Julia Sude, 23, gestern Abend nach ihrem Match abklatschten, standen ihnen Tränen in den Augen. Die deutschen Beachvolleyball-Meisterinnen vom Hamburger SV hatten beim Grand-Slam-Turnier im polnischen Stare Jablonki das Achtelfinale knapp verpasst - und das ausgerechnet in 1:2-Sätzen gegen die Stuttgarterinnen Karla Borger und Britta Büthe, zwei nationale Konkurrentinnen auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2012 in London. Dass ihnen wenigstens 5100 Dollar Preisgeld, rund 3560 Euro, blieben, war in diesem Moment ein schwacher Trost. Dennoch: 38.000 Euro haben Köhler/Sude in diesem Jahr auf der internationalen Tour bereits verdient, und sie haben damit ihre erwarteten Gesamtkosten für 2011 von 55.000 Euro zu zwei Dritteln eingespielt. "Es läuft in diesem Sommer besser als 2010", sagt Köhler.

Wenn Spitzensportler wie sie ihre finanzielle Situation als halbwegs entspannt bezeichnen, reden sie über eine schwarze Null; dass am Ende des Jahres die Ausgaben nicht die Einnahmen übersteigen. Köhlers Fall ist exemplarisch für die Nöte vieler Mitglieder des Olympiateams Hamburg/London 2012, die zwar ihr Auskommen haben, Miete und Mahlzeiten bezahlen können, sich andererseits aber ständig Sorgen machen müssen, falls eine Säule ihrer Existenzsicherung wegbricht. Und: Jede langwierige Verletzung könnte das Aus ihrer Karriere bedeuten.

"Das Problem beim Beachvolleyball ist", sagt Köhler, "dass die Preisgelder in der Regel erst nach Monaten auf unseren Konten landen. Wir haben heute noch Außenstände von 2010." Die Kosten wiederum fallen frühzeitig an. Flüge zu Turnieren und Trainingslagern müssen rechtzeitig gebucht werden, um halbwegs preiswerte Tickets zu ergattern. Köhler: "Das heißt, wir müssen finanziell in Vorlage treten."

Das fällt schwer, wenn das eigene Sparbuch leer, das Girokonto im Minus und das Aktiendepot gar nicht erst angelegt ist. Also entschloss sich Köhler im vergangenen September, eine Woche nach dem überraschenden Gewinn der deutschen Meisterschaft in Timmendorf, kellnern zu gehen. Dass der Arbeitgeber Tim Mälzer hieß, der TV-Koch, der in der Lagerstraße in der Nähe der U-Bahn-Station Sternschanze seine "Bullerei" betreibt, sei "Zufall gewesen. Ich habe mich auf eine Anzeige hin beworben." Vier Monate lang servierte die Lehramtsstudentin, Fächer: Mathematik und Biologie, Speisen und Getränke, mal mittags, mal abends. Training und Uni zwischendurch - eine 60-Stunden-Woche. "Dass ich halbwegs erfolgreich Beachvolleyball spiele, habe ich nicht an die große Glocke gehängt", erzählt Köhler. Der Einsatz zwischen Küche und Kunden aber lohnte sich. Die erhofften 10.000 Euro Startkapital für die neue Saison kamen bis zu diesem Januar zusammen, der Turnierplan konnte umgesetzt und die entsprechenden (Welt-)Reisen gekauft werden.

"Ich hätte auch einen Kredit aufnehmen können, dafür fühlte ich mich aber zu jung. Das Kellnern hat mir viel Spaß gemacht. Ich würde das beim nächsten Mal genauso machen." Muss sie wohl nicht. Köhler und Sude, die Tochter der Volleyball-Legende Burkhard Sude aus Friedrichshafen, haben sich in den vergangenen Monaten in die erweiterte Weltspitze geschlagen. Im Juni in Rom wurden sie bei den Weltmeisterschaften als bestes deutsches Frauen-Duo Fünfte. Ihr größter Erfolg.

Reichtum ist dennoch nicht in Sicht. "Jeden Cent, den wir zusätzlich verdienen, stecken wir wieder in den Sport", sagt Köhler. Trainer müssen bezahlt werden, Massagen und Physiotherapie unterwegs. "Wir wollen nach London, und dafür lohnt sich der Einsatz." Das Ziel liegt noch in weiter Ferne. Bei der nationalen Qualifikation für 2012 rangieren sie hinter den Europameisterinnen Sara Goller/Laura Ludwig aus Hamburg und Katrin Holtwick/Ilka Semmler aus Essen. Die besten acht Turniere zwischen April 2011 und Juli 2012 zählen, die besten zwei fliegen zu Olympia. "Wir haben noch genug Optionen, um uns zu verbessern", sagt Köhler. Und wenn es für London nicht reichen sollte, "sind wir jung genug, um die nächsten Spiele 2016 in Rio de Janeiro in Angriff zu nehmen".