Erstmals seit 1999 steht eine Deutsche im Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers.

London. Als erste deutsche Spielerin seit zwölf Jahren hat Sabine Lisicki das Halbfinale der All England Championships erreicht. Nachdem sie im zweiten Satz schon drei Matchbälle vergeben hatte, zog die Berlinerin unter dem schützenden Dach des Centre Court durch ein 6:4, 6:7 (4:7), 6:1 gegen die französische Weltranglistenneunte Marion Bartoli in die Runde der letzten Vier ein. Beim einem Grand Slam war zuletzt Steffi Graf so weit gekommen, 1999 in Wimbledon. Graf unterlag damals im Endspiel Lindsey Davenport (USA).

„Ich kann gar nicht beschreiben, wie glücklich ich bin. Ich freue mich so, auf dem Center Court zu stehen, den Platz, den ich so liebe“, sagte Lisicki: „Im Halbfinale habe ich nichts zu verlieren, ich werde rausgehen und kämpfen.“

Lisicki begann ihr zweites Viertelfinale in Wimbledon nach 2009 mit einem Break, sie dominierte den ersten Satz über weite Strecken mit ihrem Aufschlag und variablem, druckvollem Spiel. Am Ende des zweiten Durchgangs schwächelte sie, vergab drei Chancen, das Spiel vorzeitig zu beenden, verlor den Satz im Tiebreak, ließ sich dadurch aber nicht verunsichern. Nach 2:17 Stunden nutzte die 21-Jährige ihren vierten Matchball, im Halbfinale am Donnerstag trifft sie auf Maria Scharapowa (Russkland) oder Dominika Cibulkova (Slowakei).

Lisicki, die bald von Weltranglistenplatz 62 unter die besten 25 rutschen wird, begann das Match gegen die Wimbledon-Finalistin von 2007 so explosiv wie eine Sprinterin, die es im Startblock nicht mehr aushielt, sie gewann die ersten sechs Punkte und nahm Bartoli dabei den Aufschlag ab. Ein Donnerschlag außerhalb der Halle brachte sie danach kurz aus dem Konzept, sie verlor ihr erstes Aufschlagspiel, doch dann übernahm sie die Kontrolle, vor allem bei eigenem Service. Die Berlinerin ging mit 4:2 in Führung, hielt den Vorsprung souverän und nutzte nach 43 Minuten ihren ersten Satzball.

Im zweiten Satz war es wesentlich enger, Lisicki führte 2:0, Bartoli gelang ein Rebreak, dann verlor die Französin ihren Aufschlag zum 4:5. Lisicki konnte zum Satzgewinn aufschlagen - und nutzte die Chance nicht. Drei Matchbälle ließ sie nach eineinhalb Stunden Spielzeit beim Spielstand von 5:4 ungenutzt - statt „Game, Set and Match Lisicki“, hieß es nur wenig später „Tiebreak and Second Set Bartoli“. In dieser Phase hatte die Deutsche erkennbar Probleme mit ihrem ersten Aufschlag, der zweite war harmlos, die leichten Fehler häuften sich.

Die erfahrene Bartoli, mit 26 Jahren die älteste der acht Spielerinnen im ersten rein europäischen Viertelfinale seit 1913, hatte harte Tage hinter sich. Ins Achtelfinale war sie erst nach hart umkämpften drei Sätzen (9:7 im dritten Satz) gegen Flavia Pennetta aus Italien eingezogen, dort hatte sie es dann mit Serena Williams zu tun bekommen. Mit 6:3, 7:6 (8:6) gewann Bartoli gegen die 29 Titelverteidigerin, betonte aber, nur, weil sie Serena Williams besiegt habe, bedeute dies nicht, dass ihr dies nun auch gegen Lisicki gelingen werde.

Lisiscki versuchte nach dem Satzverlust, jene Gelassenheit zu bewahren, mit der sie das Turnier bislang gespielt hatte. „Es ist mir eigentlich völlig egal, gegen wen ich spiele“, hatte sie versichert, „für mich ist jedes weitere Spiel ein Geschenk“. Das sei so, erklärte sie, seit sie ihre Verletzung überwunden habe, erläuterte sie. Deshalb wollte Lisicki das Turnier 2011 auch nicht mit dem Turnier 2009 vergleichen: Vor zwei Jahren noch war sie im Viertelfinale an der damaligen Weltranglistenersten Dinara Safina (Russland) gescheitert.

In der Tat war Lisicki die bestimmende Spielerin - sie blieb es auch, nachdem sie den zweiten Satz verloren hatte. Unbeeindruckt von diesem Dämpfer zog sie im dritten Satz mit einem Break im zweiten Spiel sofort auf 3:0 davon, spielte wieder druckvoll und entschlossen. Bartoli, die auch zunehmend müder wirkte, hatte mehr und mehr Probleme, das Tempo zu halten. Die Französin verlor auch ihr Aufschlagspiel zum 5:1 für Lisiscki - und diesmal ließ sich die Berlinerin ihre Chance nicht mehr nehmen.