Trotz Sparmaßnahmen soll die Galoppderby-Woche neue Maßstäbe setzen. Insgesamt werden mehr als 70.000 Besucher erwartet.

Hamburg. Deutschlands Turfkönige kommen in die Hufe. Mit dem Start der traditionsreichen Derbywoche übermorgen auf der Galopprennbahn in Horn rückt Hamburg in den Fokus der europäischen Vollblutfans. An sechs Veranstaltungstagen wird mit jeweils einem Wettstreit der Europagruppe spannender Sport geboten. Preisgeld in 63 Rennen mit mehr als 600 Pferden: zwei Millionen Euro, davon rund 800 000 im 142. Deutschen Derby am ersten Julisonntag, das von Idee-Kaffee gesponsert wird. Das renommierteste deutsche Rennen ist der Höhepunkt des Meetings und die Krönung der deutschen Turfsaison. Insgesamt werden mehr als 70 000 Besucher erwartet.

"Alle Voraussetzungen sind gegeben, hochklassige Rennen in grüner Umgebung zu erleben", sagte Eugen-Andreas Wahler, 61, Präsident des ausrichtenden Hamburger Renn-Clubs (HRC). Nach dem hitzebedingten Umsatzeinbruch im Vorjahr mit einem Verlust von 300 000 Euro wurde im Umfeld eine Menge eingespart. Erklärtes Ziel: Die Attraktivität des Rennprogramms dürfe nicht gefährdet werden. Den Streichmaßnahmen fiel neben der Veranstaltung am Dienstag auch das VIP-Zelt direkt am Geläuf zum Opfer. Während sich die Ehrengäste nun auf die Derby-Lounge im Innenraum sowie auf den umgestalteten Logenbereich im Hochparterre und ersten Stock der 99 Jahre alten Haupttribüne konzentrieren, haben die Zuschauer auf dem Sattelplatz bessere Sicht auf das Finish.

Wer wird im Derby die Nüstern vorne haben? Hauptfavoriten sind die beiden Hengste Arrigo und Ametrin, Kopf-an-Kopf-Sieger des Union-Rennens in Köln vor elf Tagen. Beide starten in den Farben des Gestüts Schlenderhan, das wohl mit fünf Vollblütern im Derby vertreten ist. "Das ist Rekord in der Geschichte des Derbys", sagte Wahler. Andererseits könnte Brown Panther aus dem Besitz des englischen Fußballstars Michael Owen nach Buzzword im Vorjahr der zweite Triumphator aus dem Ausland werden. Beste Aussichten haben gleichfalls der Ebbesloher Lindenthaler sowie Gereon aus dem Besitz seines Trainers Christian Zschache in Hoppegarten. Der bescheiden auftretende Einzelkämpfer, der das DDR-Derby zweimal als Reiter gewann und seit einem Arbeitsunfall im Rollstuhl sitzt, erwarb "das Pferd seines Lebens" für weniger als 10 000 Euro. Im Wettstreit um das Blaue Band soll Gereon vom irischen Topjockey Johnny Murtagh erfolgreicher gesteuert werden als vom zuletzt höchst unglücklich agierenden Georg Bocskai.

Wer letztlich zum ausgewählten Kreis der 20 Derbypferde zählen darf, entscheidet sich endgültig am kommenden Mittwoch um neun Uhr. Derzeit sind noch mehr als 50 Kandidaten genannt, von denen allerdings nach aktueller Form höchstens 30 infrage kommen. Bis Montagmittag dürfen Besitzer weitere Starter angeben, müssen dafür indes eine Gebühr von 50 000 Euro entrichten. Das Management des Vorjahressiegers Buzzword wählte 2010 diesen Weg. Der Renn-Club hofft auf zwei Nachnennungen und 100 000 Euro. Es gibt Signale aus den Coolmore Studs in Irland sowie aus dem Gestüt des Scheichs Mohammed al-Maktoum in England. In beiden Fällen spielt Geld wohl keine Rolle.

Beim Veranstalter allerdings sehr wohl. Der Gesamtetat des Pferdefestivals beträgt 3,8 Millionen Euro. Werden am Toto insgesamt 3,2 Millionen Euro verwettet, geht die Rechnung mit einem ausgeglichenen Ergebnis auf. 2010 wurden bei einem Renntag mehr knapp 3,4 Millionen Euro umgesetzt, allerdings musste die Rennwoche wegen der Fußball-WM auf die zweite Julihälfte und somit in die Ferienmitte verlegt werden. Zudem verlockten Temperaturen von 33 Grad und mehr nicht gerade zum Besuch des Hippodroms.

Diesmal erhofft sich Schatzmeister Hans-Ludolf Matthießen, 71, Zusatzeinnahmen durch ein cleveres Geschäft mit dem französischen Wettanbieter PMU, der das Derby und 18 weitere Rennen aus Horn in seine Ladengeschäfte im zockerfreudigen Nachbarland überträgt. Mit etwas Fortune und quasi ohne Aufwand könnten so mehr als 100 000 Euro in die HRC-Kasse fließen. Dagegen ist eine Einsparung ob des Imageverlustes ärgerlich: Die in den vergangenen Jahren im Hamburger Rathaus zelebrierte Championatsehrung der deutschen Turfkönige wurde diesmal in Baden-Baden ausgerichtet.

"Trotzdem bleibt das Deutsche Derby in Hamburg. Basta!", garantiert HRC-Vizepräsident Albert "Atti" Darboven, 75, dessen Kaffeeunternehmen mangels zahlungskräftiger Alternative nun schon im dritten Jahr das Patronat des Deutschen Derbys übernimmt und somit einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt der Galoppwoche in der Hansestadt leistet. Trost für den preisbewussten Kaufmann: Er hat die Chance, einen Teil seines Sponsorengeldes zurückzugewinnen. Dieses Kunststück könnte seinem dreijährigen Hengst Mi Senor glücken, neben Earl of Tinsdal zweite Hamburger Hoffnung für die Entscheidung um das Blaue Band.

Mi Senor war am vergangenen Sonntag im letzten Derbytest in der Bremer Vahr nach guter Leistung Vierter und verfügt laut Trainer Andreas Wöhler (Gütersloh) über ansteigende Form. Sollte der im Gestüt Idee in Rissen gezogene Vollblüter ins Derbyfeld rücken, geht er als chancenreicher Außenseiter in die Startbox. Geritten werden soll er von Steffi Hofer, der einzigen Amazone unter den Jockeys.