Schwergewichts-Weltmeister Wladimir Klitschko spricht über seinen Kampf am 2. Juli in der Hamburger Imtech-Arena

Going. Bevor Wladimir Klitschko, 35, in seinem Trainingscamp im Prominenten-Hotel Stanglwirt in Tirol (Österreich) Fragen zum weltweit herbeigesehnten Duell mit dem britischen WBA-Weltmeister David Haye, 30, am 2. Juli in der Hamburger Imtech-Arena beantwortete, hatte der Schwergewichts-Weltmeister der Verbände IBF und WBO eine Nachricht zu verkünden. Der Kölner TV-Sender RTL wird den Millionenvertrag mit Wladimir und dessen Bruder Vitali, 39, Weltmeister des WBC, der nach dem Haye-Kampf ausläuft, um fünf Kämpfe verlängern.

Abendblatt:

Herr Klitschko, das Motto für Ihren Kampf gegen David Haye lautet "The War". Fühlen Sie sich wie einer, der sich auf einen Krieg vorbereitet?

Wladimir Klitschko:

Das Motto ist gewählt, um Promotion für den Kampf zu machen. Da es zwischen David und den Klitschkos seit mehr als zwei Jahren einen Krieg der Worte gibt, wird dieser Aspekt betont. Für mich sind Kampfmottos unwichtig, ich bereite mich nicht auf einen Krieg, sondern auf einen Gegner vor, der mich besiegen will.

Sie wirken in Gesprächsrunden sehr entspannt, im Training allerdings aggressiver als normal. Würden Sie sagen, dass diese Vorbereitung eine besondere ist?

Klitschko:

Es ist eine Vorbereitung wie alle anderen auch, wir haben nichts verändert, weil es dazu keinen Grund gibt. Ich weiß, dass der Kampf wichtig ist, er ist von der Wahrnehmung der Fans und Medien her der größte meiner Karriere. Ob es darum geht, alle vier Titel in die Familie Klitschko zu holen, interessiert mich nur am Rande. Es geht nur um den Sieg. Ich schlafe mit dem Gedanken an David Haye ein und wache damit auf. Und wissen Sie was? Es gefällt mir. Ich studiere Haye täglich, und obwohl ich seit 1996 boxe, bin ich hoch motiviert. Ich bin gesund, habe Spaß und darf vor einem großen Publikum das tun, was ich liebe. Was gibt es Schöneres?

Sie sagen immer, Emotionen seien im Ring schädlich. Wie blenden Sie Ihre negativen Gefühle Haye gegenüber aus?

Klitschko:

Je länger die Vorbereitung dauert, desto weniger denke ich über Haye als Menschen nach. Ich sehe nur noch den Sportler, und vor dem habe ich großen Respekt. Dennoch konnte ich mir nichts Besseres wünschen als die vielen Beleidigungen. Eine größere Motivation gibt es nicht.

Was hat Sie tiefer getroffen: Hayes Aussagen, er könne Sie als Sportler und als Mensch nicht respektieren, oder das T-Shirt mit den abgeschlagenen Köpfen, mit dem er Sie und Vitali provoziert hat?

Klitschko:

Die ganzen Aussagen lese und höre ich schon gar nicht mehr, aber mit dem T-Shirt hat er mich persönlich getroffen. Das war unter der Gürtellinie, nicht cool und nicht lustig. Er sollte sich fragen, wie seine Eltern darauf reagieren würden, wenn sie ein solches T-Shirt mit seinem Kopf sehen würden. Meine Eltern waren erschüttert, aber sie haben gesagt: Am Ende zählt nur, was im Ring passiert. Ich bin sicher, dass David längst bedauert, was er da getan hat, denn sonst würde er das T-Shirt ja weiter tragen.

Können Sie ihn nach all diesen Beleidigungen als Mensch respektieren?

Klitschko:

Er ist eigentlich kein schlechter Mensch, er ist nur dazu geworden, weil ihm der Erfolg, den er hatte, den Kopf verdreht hat. Er gibt sich extrem selbstbewusst. Aber ich werde ihm den Kopf wieder richtig hindrehen. Das ist für sein weiteres Leben wichtig.

Psycho-Spielchen sind vor Kämpfen normal. Haye sagt, er sei dank seines Auftretens unter Ihre Haut gelangt. Haben Sie eine Wirkung bei ihm gespürt?

Klitschko:

Haye redet sehr viel, wenn er mich nicht sieht. Aber wenn wir uns treffen, dann ist er eher schüchtern und zurückhaltend. In London, seiner Heimatstadt, wollte er nicht einmal mit mir im selben Raum sitzen. Wir wurden dann per Videokonferenz verbunden. Deshalb frage ich mich, wer wohl unter wessen Haut gelangt ist.

Glauben Sie, dass David Haye mit Angst in den Ring steigen wird?

Klitschko:

Nein, dazu ist er zu erfahren und zu selbstsicher. Aber ein Kampf wird im Kopf entschieden, und ich bin mir sicher, dass David weiß, dass er verliert. Es kommt nur darauf an, wie er damit umgeht. Ich erwarte deshalb maximale Konzentration von ihm.

Denken Sie, dass Haye Sie mit irgendetwas überraschen kann?

Klitschko:

Der schlimmste Fehler, den man machen kann, ist der, von dem man denkt, dass man ihn nicht machen wird. Deshalb bin ich auf Überraschungen vorbereitet. David Haye ist wie eine Maus im Dunkeln. Man hört ihn, aber man kann ihn nicht greifen. Er hat noch nie in einem Stadion geboxt, er hat noch nie so viel Druck gehabt. Aber was das mit ihm macht, das kann ich nicht einschätzen. Klar ist aber, dass er so gut sein wird wie noch nie zuvor in seiner Karriere, denn das war mit vielen meiner Gegner so, weil sie gegen mich so motiviert sind wie niemals zuvor.

Würden Sie sagen, dass der 2. Juli der wichtigste Tag Ihrer Karriere wird?

Klitschko

: Was die weltweite Aufmerksamkeit betrifft, ist es wohl mein wichtigster Kampf. Ob das sportlich stimmt, werden wir sehen. Ich denke aber, dass Haye der stärkste Gegner ist, gegen den ich je geboxt habe.

Was passiert, wenn Sie verlieren? Gibt es dann die nächste Rache des Bruders?

Klitschko:

Es wird keine geben, weil sie nicht nötig sein wird. Die Rache findet bereits am 2. Juli in Hamburg statt. Ich kann nicht verzeihen, dass jemand Vitalis abgeschlagenen Kopf auf ein T-Shirt druckt. Dafür werde ich meinen Bruder rächen. Ich weiß schon, was ich nach dem Kampf zu David sagen werde, und ich freue mich darauf.

Müssen Sie nicht dankbar sein, dass er es geschafft hat, einen Kampf weltweit anzuheizen, der sportlich nicht die Voraussetzungen erfüllt, ein Klassiker zu sein?

Klitschko:

In der Tat bin ich froh, dass David Haye existiert. Dass er diesen Hype kreiert hat, finde ich gut, die Art und Weise nicht immer. Aber ich denke, dass dieser Kampf meine Karriere definieren wird. Und darüber freue ich mich.