McLaren-Pilot gewinnt den Formel-1-Grand-Prix in China vor dem Deutschen, Webber liefert eine große Aufholjagd und stichelt gegen den Weltmeister

Shanghai. Als Friedensgipfel wird der Große Preis von China sicher nicht in die Firmengeschichte von Red Bull eingehen. Erst gratulierte der Zweite Sebastian Vettel noch seinem Teamkollegen Mark Webber zu "einem phänomenalen Rennen", das der Australier, von Platz 18 gestartet, als Dritter beendet hatte. Webber vergab auch ein Kompliment, aber an Lewis Hamilton, den Sieger in Shanghai und Verfolger Vettels in der Weltmeisterschaft. "Es ist gut, dass endlich jemand ...", sagte Webber, bevor er leichte Skrupel bekam, offen das auszusprechen, was die Rivalen des deutschen Champions denken mögen: dass Vettels Siegeszug zum Wohle des Spannungsbogens in dieser Saison glücklicherweise beendet ist. Hamilton jubelte nach seinem ersten Saisonsieg: "Ich habe jede Sekunde des Rennens genossen."

Für Webber, der schon im Vorjahr mit Vettel aneinandergeraten war, war es eine Genugtuung: "Natürlich ist Sebastian im selben Team, er hat einen Wahnsinnslauf, und wir sind alle hier, um zu gewinnen." Er musste zuletzt viel schlucken. Reifenprobleme ließen Webber am Sonnabend an der ersten Qualifikationshürde scheitern, es drohte die Fortsetzung einer vertrackten Pannenserie. In Melbourne (fünfter Platz) haderte er mit Balanceproblemen, in Malaysia (Vierter) funktionierte Kers, das komplizierte System zur Energierückgewinnung, nicht richtig. Gestern schnurrte Webbers Auto zum ersten Mal zuverlässig, ihm gelang vorbei an den Schwergewichten Michael Schumacher, Fernando Alonso und Jenson Button eine der größten Aufholjagden der modernen Formel-1-Geschichte.

Während Webber das Potenzial des Red Bull eindrucksvoll zur Schau stellte, wurde sein Stallgefährte Vettel von der Technik gebremst. Diesmal hakte sein Kers-System. Am Start gab es nicht die gesamte Leistung frei, Vettel verlor Platz eins an Jenson Button und musste auch noch Hamilton ziehen lassen. Auch danach fiel es immer wieder aus, was sich laut Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko ungünstig auf die Bremsbalance auswirkte. Vettel handelte sich einen Bremsplatten ein, der Reifenwechsel musste vorgezogen werden.

Der höhere Verschleiß gab vier Runden vor Ende den Ausschlag, dass ihn Hamilton am Ende leicht überholen konnte. Die Notlage spitzte sich zu, weil der Funkkontakt zwischen Vettel und dem Kommandostand gestört war. "Sie haben mir viele Fragen gestellt, aber keine Antworten bekommen", sagte Vettel.

Während Hamilton fehlerfrei seine Runden drehte, scheiterte der Weltmeister letztlich an der falschen Rennstrategie mit nur zwei Reifenwechseln. Dennoch sagte Vettel, der die Weltmeisterschaft weiterhin deutlich anführt: "Ich sehe den zweiten Platz nicht als Enttäuschung."

Überhaupt bezieht die Formel 1 einen Großteil ihrer Spannung aus Unvermögen. Es werden unglückliche taktische Entscheidungen getroffen - neben Vettel vergab auch Felipe Massa eine bessere Platzierung wegen seines Zweistopprennens. Eine auch durch das neue Reglement bedingte hohe Fehlerquote führt zu munteren Platzwechseln auf der Piste. "Es ist jetzt eine Menge mehr auf der Strecke los. Viele Überholmanöver, viele Boxenstopps, oft ist es selbst für uns Experten schwer, den Überblick zu behalten, wer aussichtsreich im Rennen liegt", sagte Ex-Rennfahrer David Coulthard, der für die BBC kommentiert.

Selbst die Fahrer scheinen teilweise überfordert zu sein. Jenson Button leistete sich einen unglaublichen Fauxpas, als er beim ersten Boxenstopp zunächst die Garage von Red Bull ansteuerte. Die Crew, die Vettel direkt dahinter abfertigen sollte, winkte den Briten hektisch, aber in freundlicher Absicht vorbei. "Ich habe auf dem Weg zur Box nach unten geschaut", sagte der Falschparker im McLaren.