Seit 40 Jahren ist der 68-jährige Boxtrainer. Im Interview spricht er über seine größten Talente, seine Methoden und verpasste Chancen.

Hamburg. In diesen Tagen feiert Ulli Wegner, Cheftrainer im Berliner Profiboxteam Sauerland, sein 40-jähriges Dienstjubiläum. Am Freitag (22 Uhr, NDR) spricht der 68-Jährige darüber in der Talkshow „3 nach 9“, im Abendblatt schon heute.

Abendblatt: Herr Wegner, als Sie 1971 als Trainer in den Boxsport kamen, hätten Sie da gedacht, dass Sie diesen Job bis zur Rente machen würden?

Ulli Wegner: Rechnen konnte ich damit natürlich nicht, aber gewünscht habe ich es mir damals schon. Es war mein Traum, im Sport arbeiten zu dürfen. Ich war früher aktiver Fußballer und wäre sicherlich auch ein erfolgreicher Fußballtrainer geworden. Aber als ich mit 19 mit dem Boxen begann, da war schnell klar, dass das der perfekte Sport für mich sein würde. Als man mir mit 27 das Angebot machte, im Bezirk Gera als Sichtungstrainer anzufangen, habe ich zugegriffen – und es nie bereut.

Was haben Sie sich aus den Anfängen Ihrer Trainerlaufbahn bewahrt?

Wegner: Ich denke, dass es mir sehr viel gebracht hat, mit Jugendlichen zu arbeiten. Dieses Auge, was ich mir damals angeeignet habe, Talente zu erkennen, das hilft mir bis heute. Ich übernehme nur Sportler, bei denen ich sofort sehe, dass ich sie formen kann. Das hat mir schon bei den Amateuren geholfen, aber vor allem nach meinem Wechsel zu den Profis 1996.

Gab es denn mal einen Sportler, der relativ talentfrei war, als er zu Ihnen kam?

Wegner: Das nicht, aber Sportler wie meine heutigen Weltmeister Arthur Abraham und Marco Huck, die hatten einfach nicht den Amateur-Hintergrund, den meine früheren DDR-Sportler hatten. Die waren noch nicht so geformt, da musste ich viel mehr Aufbauarbeit leisten. Umso stolzer macht es mich, dass die es trotzdem nach ganz oben geschafft haben.

Wer war denn das größte Talent, mit dem Sie arbeiten durften?

Wegner: Ich muss aufpassen, dass ich niemanden vergesse. Aber ich denke, dass Oktay Urkal oder Markus Beyer sicherlich zu nennen sind. Mein größter Glücksfall war aber Sven Ottke, den ich 1991 als Bundestrainer am Stützpunkt Berlin kennen lernte. Wir waren eine unglaublich harmonische Arbeitsgemeinschaft, wir haben voneinander ungemein profitiert. Sven halte ich nach wie vor für den besten deutschen Profi, den es jemals gegeben hat.

Boxen / Boxkampf - 05.12.2009 - Marco Huck vs. Ola Afolabi . Trainer Ulli Wegner .
Boxen / Boxkampf - 05.12.2009 - Marco Huck vs. Ola Afolabi . Trainer Ulli Wegner . © picture-alliance / Fishing4/Fishing4 | picture-alliance / Fishing4

Was war in den 40 Jahren als Trainer Ihre größte Enttäuschung?

Wegner: Sportlich war es die K.-o.-Niederlage von Markus Beyer gegen den Briten Glenn Catley im Mai 2000, damit hatte niemand gerechnet. Menschlich war es der Niedergang von Bert Schenk. Ein begnadeter Mittelgewichtler, den ich leider wegen seiner Alkoholexzesse irgendwann nicht mehr in meinem Team dulden konnte. Er lebt heute von Hartz IV. Das tut mir sehr weh.

Sie gelten als strenger Trainer, der eisern auf Disziplin achtet. Gab es eine Situation, wo Sie zu hart waren?

Wegner: Ich werde gern als streng bezeichnet, aber ich glaube nicht, dass ich es bin. Ich achte auf Disziplin, denn ohne Pünktlichkeit und Disziplin kann man seine Ziele nicht erreichen. Aber ich bin kein General. Trainer und Sportler stecken sich ein gemeinsames Ziel, und der Trainer bestimmt die Inhalte, die man braucht, um es zu erreichen. Trainer müssen führen, aber nicht unterdrücken. Ich will meine Sportler doch zu eigenständigen Persönlichkeiten machen, die sich auch später im Leben durchbeißen können.

Dazu gehört Ihre Art, in den Ringpausen auch mal mit drastischen Worten zu arbeiten. Kommen Ihnen diese Einfälle spontan, oder sind die geplant?

Wegner: Ich bin, wie ich bin, und genauso versuche ich auch in der Ecke zu sein. Da ist nichts geplant, da ist alles authentisch. Wenn ich in der Ecke schimpfe, dann hat das einen Grund. Ich sage meinen Jungs immer: Entweder ihr akzeptiert mich, wie ich bin, oder ihr müsst gehen. Ich arbeite hart, aber ich bin ein rundum glücklicher Mensch. Ich hätte nie gedacht, dass ich mir so ein Fachwissen aneignen könnte, und deshalb bin ich von meinem Weg auch bis heute absolut überzeugt.

Gibt es etwas, das Sie in den 40 Jahren als Trainer gern getan hätten, aber nie erreicht haben?

Wegner: Zwei Dinge gibt es. Ich hätte gern mit Ottke gegen Dariusz Michalczewski gekämpft, weil ich bis heute überzeugt davon bin, dass Sven ihn geschlagen hätte. Dieser Kampf war mein Traum. Und dann hätte ich gern mit Graciano Rocchigiani gearbeitet. Der war im Ring unfassbar intelligent, aber er hätte Führung gebraucht. Ich denke, wir hätten gemeinsam Riesen-Erfolg gehabt.