Andrea Petkovic steht bei den Australian Open als erste Deutsche seit Steffi Graf im Jahr 1999 im Viertelfinale

Melbourne. Auf dem Weg vom Centre-Court in die Umkleidekabine konnte Andrea Petkovic schon ihren neuen, noch einmal rapide gewachsenen Status im Welttennis spüren. Gerade hatte die frischgebackene Australian-Open-Viertelfinalistin die Büroflucht des Turniermanagements erreicht, da vernahm sie von der Seite das höfliche Kompliment des Kollegen Andy Roddick: "Großes Match, Andrea. Das war echt klasse." Wenig später erntete Petkovic dann ein kräftiges Schulterklopfen von French-Open-Königin Francesca Schiavone, versehen mit dem einen Wort: "Topjob." Und als die 23-jährige Darmstädterin dann das Spielerrestaurant passierte, richteten sich alle Blicke auf die Spielerin, die man nun tatsächlich in Melbourne im Auge behalten muss. Auf die erste Deutsche, die seit Steffi Graf 1999 wieder im Viertelfinale der Tennis-Festspiele "down under" steht. "Du wirst auf einmal ganz anders wahrgenommen, kriegst echt Respekt", sagte Petkovic nach ihrem 6:2, 6:3-Sieg über die ehemalige Weltranglistenerste Maria Scharapowa.

So viel jedenfalls stand fest: Seit den goldenen deutschen Tenniszeiten hatte keine DTB-Spielerin mehr so nervenstark und selbstbewusst gegen eine große Rivalin gespielt wie Petkovic gegen Scharapowa, die immerhin dreimalige Grand-Slam-Gewinnerin. "Dieses Datum kann sich Andrea rot anstreichen im Kalender, das war unglaublich gut", sprach eine "eigentlich sprachlose" Fedcup-Teamchefin Barbara Rittner. Nun trifft Petkovic morgen im ersten Major-Viertelfinale auf die beste Chinesin im Profitennis, auf Li Na.

In dieser klaren Sommernacht war die sympathische Südhessin zweifellos in eine neue Tennis-Sphäre aufgerückt. "Ich habe voll auf Angriff gesetzt und bin niemals wirklich zurückgezuckt", sagte Petkovic, die bis zur 6:2, 5:1-Zwischenführung nur sechs leichte Fehler produziert hatte. Obwohl sie pausenlos hohen Druck auf Scharapowa ausübte und konsequent mit Risiko ihre Chancen suchte, spielte die Einser-Abiturientin beinahe klinisch sauber - ein wahres Feuerwerk an Erfolgsschlägen verblüffte die Kulisse in der Rod-Laver-Arena, die, so "Channel Seven"-Kommentatorin Renee Stubbs, "die Geburt eines neuen Stars miterlebte". Petkovic habe das Zeug, "schon in diesem Jahr unter die Top Ten vorzustoßen".

Der durch und durch beeindruckende Auftritt - zwei Tage nach dem eher unangenehmen Aufgabeerfolg gegen Venus Williams nach nur sieben gespielten Punkten - markierte auch den vorläufig krönenden Höhepunkt eines Reifeprozesses, den die deutsche Nummer eins in ihrer Karriere erlebt hat.

Mit dem Sieg verarbeitete die enorm lernfähige Petkovic gleich zwei Traumata einer bewegten Laufbahn: Die vier vergebenen Matchbälle gegen die ehemalige French-Open-Siegerin Swetlana Kusnetsowa 2010 im Pariser Stadion Roland Garros, die ihr noch "eine gehörige Zeit" im Kopf herumgespukt waren. Und auch die schlappe Leistung im Achtelfinale der US Open vor fünf Monaten, als ihr gegen die Russin Wera Zwonarewa die Hände bleischwer geworden waren. "Heute bin ich rausgegangen und habe den Sieg mit jeder Faser gewollt", sagte Petkovic. Auch der sonst überkritische Vater Zoran, lange Jahre zugleich der Trainer der neuen DTB-Frontfrau, konnte sich nur verneigen vor seiner Tochter: "Ich habe nie Panik in ihren Augen gesehen. Das war alles perfekt nach Plan gespielt, eine erstklassige Vorstellung."

"Wenn man an sich glaubt, kann man Bäume ausreißen", sagt die 23-Jährige, die sich vor drei Jahren in Melbourne einen Kreuzbandriss zugezogen hatte. Das Unglück damals sei der eigentliche Beginn ihrer Karriere gewesen. "Dass ich mich danach wieder aufgerappelt hab, zeigte mir erst, wie sehr ich Tennis liebe."