München überreicht heute seine Bewerbung um die Winterspiele 2018. Doch der Grundstücksstreit droht zu eskalieren

Garmisch-Partenkirchen. Es hat 396 Seiten und liegt in englischer und französischer Sprache vor, 100 Stück gibt es davon. Was genau im sogenannten Bid Book steht, ist streng geheim. Heute wird Eiskunstläuferin Katarina Witt es als Vertreterin der deutschen Bewerbergesellschaft in Lausanne dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) überreichen. Olympia 2018 in München, Garmisch-Partenkirchen und dem Berchtesgadener Land ist damit mehr als eine Vision.

"Es gibt eine Zusammenfassung der wichtigen Passagen in Deutsch", heißt es bei der Bewerbergesellschaft. Den Rest lese eh keiner. Für die Gegner der Spiele ist das ein weiterer Ausweis von Ignoranz. "So sieht die viel beschworene Transparenz aus", sagt Andreas Keller vom Bund Naturschutz.

Über der Zeremonie in Lausanne schweben ungelöste Fragen. Grundstückseigentümer in Garmisch-Partenkirchen, wo die Skiwettbewerbe ausgetragen werden sollen, weigern sich, ihr Land zur Verfügung zu stellen. Die Grundstücke liegen teilweise direkt im Zieleinlauf der Kandahar-Abfahrt, wo die Halfpipe der Snowboarder stehen soll. 59 Eigentümer haben den Verantwortlichen vor Weihnachten ein Ultimatum gesetzt, die Bewerbung zurückzuziehen. Es ist ohne Folgen verstrichen. IOC-Chef Jacques Rogge will auf die Grundeigentümer nicht reagieren. Es zähle, was im Bid Book stehe, sagte er vergangene Woche. Die Entscheidung wird am 6. Juli zwischen Pyeongchang in Südkorea, dem französischen Annecy und München gefällt.

"Mittlerweile sind es sogar 63 Gegner", sagte deren Münchner Anwalt Ludwig Seitz. Gestern verkündete Bayerns Staatsminister Siegfried Schneider, dass es in dieser oder der nächsten Woche eine Lösung geben könnte. Über diesen Optimismus zeigt sich Seitz sehr verwundert. "Seit dem 26. November gibt es null Kontakt mit der Staatsregierung", so der Anwalt. Direkte Kontakte mit den Eigentümern gebe es auch nicht. "Die 63 stehen wie eine Eins." Man wolle abwarten, was im Bid Book stehe und mit der Evaluierungskommission reden. "Dann zerplatzt diese Olympiabewerbung", sagt Seitz.

Viermal sollte Garmisch-Partenkirchen bereits Austragungsort werden. Nur einmal fanden die Winterspiele bislang hier statt. "Ich stand mit meinem Vater im Regen. Als der Hitler kam, hat's zu schneien begonnen", sagt Ignaz Streitel, der als kleiner Bub bei den Spielen von 1936 dabei war. Die Nationalsozialisten hatten Garmisch und Partenkirchen zwei Jahre zuvor zwangsvereinigt. "Damals bestand Olympia ja nur aus ein paar Wettbewerben. Heute würde das unsere Heimat kaputt machen", sagt Streitel, der als ehemaliger Chef der Weidegenossenschaft vor Ort über Einfluss verfügt. Die Angst, die Spiele seien zu groß für den Ort geworden, treibt viele um.

Andreas Keller vom Bund Naturschutz schließt nicht aus, wegen 2018 ein Bürgerbegehren zu starten. Käme es dazu, könnte zum Zeitpunkt der Entscheidung des IOC ein Bürgerentscheid laufen oder - wenn dieser durch den Freistaat abgelehnt wird - ein Widerspruchsverfahren vor Gericht.

Ein Argument für Garmisch-Partenkirchen ist, dass die wichtigsten Sportstätten - Sprungschanzen und Skipisten - vorhanden sind. Nachhaltige, "grüne" Spiele will man ausrichten. Das Team um Witt setzte sich als sichtbares Zeichen gestern vor dem Münchner Rathaus in ein Elektroauto und fuhr zum Flughafen. Nach Lausanne sollte sie eine Linienmaschine bringen.

Während in Lausanne gefeiert werden wird, wird Axel Doering in Garmisch-Partenkirchen Trauer tragen. Doering ist seit bald vier Jahrzehnten Förster in der Marktgemeinde. Der Vorsitzende der Initiative "NOlympia" hat dokumentiert, welche Eingriffe für die in vier Wochen beginnende Ski-WM am Berg gemacht wurden. Es sind Bilder von massenhaft gefällten Bäumen, abgetragenen Hügeln, planierten Wiesen. "Geplant war, nur die Kandahar-Abfahrt zu verbreitern." Tatsächlich wurde eine zweite Piste gebaut. Diese Planänderung hat viel Vertrauen zerstört. Mit dem Neubau hat sich die Gemeinde weiter verschuldet, weshalb sich etwa die Junge Union gegen die Spiele ausgesprochen hat.

Das Veranstaltungsbudget umfasst 1,3 Milliarden Euro. Es soll nahezu komplett durch IOC-Zuschüsse, Sponsoring, Tickets und Lizenzen finanziert werden. Die Ausgaben von Bund, Land, Kommunen und privaten Investoren für Sportstätten und Infrastruktur werden auf bis zu 1,84 Milliarden Euro veranschlagt. Auf möglichen Schulden bliebe Deutschland sitzen. Kanzlerin Angela Merkel hat die vom IOC geforderten 47 Garantien bereits unterzeichnet. Und der Bayerische Landtag hat ein Olympiagesetz verabschiedet und so eine Bürgschaft für ein Defizit in unbekannter Höhe übernommen.