Österreicher gewinnt die Vierschanzentournee. Michael Uhrmann landet auf Platz elf

Bischofshofen. Thomas Morgenstern hielt einen Moment lang inne auf seinem Weg nach oben. Er drehte sich um und beobachtete Olympiasieger Simon Ammann, der ganz gemächlich hoch zur Schanze trottete. Morgenstern klopfte sich mit der rechten Hand mehrmals auf seinen Oberschenkel, als wolle er seinem Skisprung-Kollegen zurufen: "Nun beeil dich mal ein bisschen." Die beiden schauten sich an, lachten und setzten ihren Weg fort.

Der Schweizer Ammann konnte seinem Rivalen aus Österreich in der Tat nicht folgen. Morgenstern war ihm bei der Vierschanzentournee vor allem in der Luft um mehrere Meter voraus. Der 24-Jährige krönte sich gestern beim Abschlussspringen vor heimischem Publikum in Bischofshofen zum dritten österreichischen Tourneesieger in Folge nach Wolfgang Loitzl und Vorjahressieger Andreas Kofler. "Das waren brutale Emotionen. Daran werde ich mich ein Leben lang erinnern", sagte er nach seinem Triumph.

Zuerst dachte Morgenstern an seine Eltern: "Ein spezieller Dank - aus dem Herzen - an meine Mama und meinen Papa." Franz und Gudrun Morgenstern hatten mit dem Fanklub im Publikum mitgefiebert. Unmittelbar nach seinem Erfolg lief Thomas Morgenstern zu ihnen und verschwand in einer Masse aus gelben Winterjacken.

Simon Ammann, der den Sieg zu seiner letzten großen Herausforderung erkoren hatte, musste sich mit Platz zwei in der Gesamtwertung vor dem Norweger Tom Hilde begnügen. "Der Thomas springt zurzeit einfach sensationell - herzlichen Glückwunsch", sagte der Schweizer, der 30,4 Punkte zurücklag. Bester Deutscher war Routinier Michael Uhrmann auf Rang elf, nur einen Platz dahinter landete Severin Freund. "Damit bin ich nicht unzufrieden", sagte der 22-Jährige. Das Ergebnis bedeutet aber auch, dass es erstmals seit 1991/92 kein Deutscher in die Top Ten der Tournee-Gesamtwertung geschafft hat.

Morgenstern war mit einem komfortablen Vorsprung in das letzte Springen in Bischofshofen gegangen. Nur ein Missgeschick hätte ihm den Sieg noch entreißen können. Doch selbst die vielen österreichischen Flaggen, auf die er beim Absprung blickte, das Getröte der Fans und die bengalischen Feuer brachten ihn nicht aus der Konzentration. Zum Tagessieg reichte es dennoch nicht. Den holte sich Tom Hilde, der damit für ein paar Sekunden der Spielverderber für 30 000 Zuschauer war.

Die Deutschen konnten auch zum Schluss nicht für das von Bundestrainer Werner Schuster so erhoffte Glanzlicht sorgen. Sie setzten aber ihre Serie fort, dass bei dieser Vierschanzentournee immer ein anderer der Beste des Teams war und sich mindestens einer unter die Top Ten kämpfte. Gestern gelang dies Michael Neumayer als Achter und Pascal Bodmer als Zehnter. Martin Schmitt enttäuschte auf Rang 24, im Gesamtklassement reichte es gar nur zum 29. Platz. Bundestrainer Werner Schuster war mit der gesamten Tournee dennoch ganz zufrieden: "Wir hatten schlechte Voraussetzungen. Uns fehlen nach vorne ein paar Meter, daher müssen wir den anderen noch beim Jubeln zuschauen. Die Konstanz ist aber in der Breite vorhanden. Wir müssen jetzt weiterarbeiten."

Thomas Morgenstern hatte im Gegensatz zu den deutschen Springern schon zu Saisonbeginn seine Form im Griff und war als Weltcup-Führender in die Tournee gegangen. "Hier sind schon oft Favoriten gestorben und Helden geboren worden", hatte Schuster vor dem Auftakt-Springen in Oberstdorf orakelt. Morgenstern aber hielt dem Druck stand - auch mithilfe eines geheimnisvollen Mister X, seinem Mentaltrainer, dessen Namen er nicht preisgeben möchte. "Er hat mir den Blick für das Wesentliche geöffnet. Heute ziehe ich meine Kraft aus innerer Ruhe und Zufriedenheit", sagt der Blondschopf.

Heute geht die Weltcup-Reise für die Skispringer schon weiter. Thomas Morgenstern kann sich dabei entspannt zurücklehnen: Mit seinen Mannschaftskollegen fährt er im schwarzen, zweigeschossigen Team-Bus, in dem normalerweise Musiker von Konzert zu Konzert kutschiert werden, zum Skifliegen nach Harrachov. "Ursprünglich war es meine Vision, zu Wettkämpfen selbst zu fliegen", sagt Hobbypilot Morgenstern, "aber das ist dann doch zu aufwendig." Und es bleibt mehr Zeit für wichtige Dinge: "Ich habe einen großen Moment erlebt, das gehört gebührend gefeiert."